Moody Blues
Ende der sechziger Jahre und zu Beginn dieses Jahrzehnts war die englische Formation Moody Blues eine der erfolgreichsten Bands, bis sich die Musiker 1974 trennten, um Solo-Projekte zu realisieren. 1978, vier Jahre nach ihrem Split, gibt es eine neue LP: „Octave“. Es scheint sogar, als hätten sich die wiederauferstandenen Moody Blues nicht nach dem üblichen Motto „Machen wir doch mal schnell wieder ’ne Platte…“ erneut zusammengetan. Bei ihrer Reunion Party in Esher Upper Court jedenfalls, einem malerischen Vorort von London, ging es jüngst zu wie bei Hofe…
Die Moody Blues mußten (bei ihrer Party allerdings auf Keyboardmann Mike Pinder verzichten. Für Pinder, der derzeit in Los Angeles lebt, gab es technische Probleme. Um in USA eine grüne Security-Card – sprich Arbeitserlaubnis – zu bekommen, darf man für ‚einen gewissen Zeitraum das Land nicht verlassen. Deshalb auch wurde „Octave“ nicht im hauseigenen Studio aufgenommen, sondern mußte in Los Angeles produziert werden. Doch das für viele Musikanten so inspirative, sonnige Kalifornien hat auf der LP keine Spuren hinterlassen. Justin Hayward, Leadsänger, Gitarrist und Frontmann der Gruppe: „Wir waren ziemlich gestreßt und hatten kaum Zeit, irgendwelche kalifornischen Vibrations auf uns einwirken zu lassen. Wenn die Studiopforten von innen geschlossen wurden, dann waren sie wirklich zu. Für uns war die Arbeit an unserem Album wichtiger als irgendwelcher Freizeitspaß. Ich hätte viel lieber in unserem eigenen Studio in London produziert, da hätten wir auch mehr Zeit gehabt…“
Doch gehen wir erst mal zurück zur aufwendigen Reunion-Party. In den sechziger Jahren war die Firma Decca-Schallplatten mit Hits gesegnet. Da hatten sie noch die Rolling Stones, die Small Faces und eben auch Moody Blues. Heute regieren andere Truppen in den Hitlisten, so daß für Decca ein Vitaminstoß ziemlich nötig war. Und diesen Vitaminstoß sah Sir Edward Lewis, seines Zeichens Präsident von Decca, wie er in seiner putzigen Eröffnungsrede erklärte, in den Moody Blues. Daß der fast 80jährige dabei hin und wieder Namen durcheinanderbrachte und auf seinem Spickzettel nachschauen mußte, um wen es sich eigentlich am heutigen Tag handelt, störte dabei keinen. Kaum hatte er die Platte für veröffentlicht erklärt, donnerte eine Herde Motoradfahrer heran, um jeweils ein Exemplar von Octave „in die Welt zu vertreiben“ (Originalton Sir Edward).
Nach einer Verleihung von mehreren Dutzend Goldenen und platinveredelten Schallplatten für die Soloprojekte der Herren Hayward, Edge, Lodge, Pinder und Thomas ging der Wettlauf um Fotos, Platten, T-Shirts, Drinks, das kalte Büfet und um ein paar Takte Interview mit einem der Stars los. Es war wie im Vatikan, allerdings mit vier Päbsten. Die vier Stars waren auf verschiedene Zimmer verteilt, und Rundfunkleute, Pressemenschen und Promotionagenten durften jeweils für ein paar Minuten hinein. In diesen Minuten war dann immerhin zu erfahren, daß die Gruppe schon vor vier Jahren wußte, daß man eines Tages wieder zusammenkommen würde. Justin Hayward: „Wir hatten nach unserem Tourneestreß und nach zehn Jahren gemeinsamer Musik einfach eine Pause nötig. Letztes Jahr im September haben wir uns dann in Ray Thomas‘ Haus getroffen und beschlossen, daß wir wieder als Moody Blues zusammenarbeiten wollen. Wir waren zwar mit unseren Solo-Platten allesamt ziemlich erfolgreich, doch irgendwie hatten wir wieder Lust, zusammen zu spielen…“
Eine Reunion also, die nicht aus materiellen Gründen stattfand. Tourneen sind geplant und die nächste LP geistert schon in den Köpfen ihrer Macher herum, obwohl die neue noch nicht mal richtig in den Läden steht. Sie schauen allesamt mit guten Gefühlen in die Zukunft, versprechen sich viel von ihrem neuen Start. Dabei bleiben für sie Soloprojekte nach wie vor interessant.
Jünger sind sie natürlich nicht geworden. Die einzigen, die noch den Eindruck englischer Pop-Dandies machen, sind Justin Hayward und John Lodge. Ray Thomas ist mittlerweile 37 Jahre alt und paßt ziemlich breit geworden – eher an den Schreibtisch eines Versicherungskonzerns. Auch Mike Pinder und Graeme Edge, beide ebenfalls 37 Jahre alt, können ihr gestandenes’Alter nicht verbergen. Es ist und bleibt eben das Handicap, wenn sich Gruppen wieder zusammentun, mit denen wir in den sechziger Jahren aufgewachsen sind. Die Musik ist zwar immer noch ausgezeichnet, doch fehlt irgendwie das ursprünglich revolutionäre Beiwerk, das logischerweise verlorengeht, sobald die ersten Falten und die ersten grauen Haare aus ehemaligen Bühnenhelden gestandene Daddies macht.