Murphys Kreuz mit dem Erfolg
Seit 1973 bescheinigen Kritiker Elliatt Murphy immenses Talent. Zu einem Konzert in Atlanta kamen 1996 zehn Fans. Wo war der Rest?
Lange starrte Elliott Murphy vor drei Jahren an die Wand, als ein Journalist fragte, ob er sich vom Rock’n’Roll enttäuscht fühle. In diesen stillen Augenblicken un terdrückte ein Mann die Tränen, der einst mit seinem 1973er Debüt „Aquashow“ als „neuer Bob Dylan“ gefeiert wurde, der über mehr als zwei Dekaden großartig sensible Singer/Songwriterund Folkrock-Alben veröffentlichte, ohne auch nur das geringste Publikumsinteresse in Amerika zu wecken. „Nein, eigentlich sei er nicht enttäuscht“, quälte er damals endlich heraus, er sei vielmehr dankbar, als Musiker wenigstens sein Auskommen sichern zu können und bei Tourneen um die Welt zu reisen. 20 Jahre lang war Murphy in den USA überhaupt nicht live zu sehen, bei der überraschenden Tour 1996 kamen in Atlanta, San Francisco und Salt Lake City jeweils weniger als ein Dutzend Leute. Große Plattenfirmen hatten schon nach anfänglichen Misserfolgen die Nase voll, Anfang der 80er trug er so persönlich 25 bestellte LPs zu einem New Yorker Plattenladen. Anerkennung bezog der New Yorker lediglich von Kollegen und Europäern: Zu seinen Bewunderern zählen Bruce Springsteen (auch mehrfacher Duettpartner), die Violent Femmes, Peter Bück, Tom Petty, Elvis Costello und ein relativ treues Publikum diesseits des Atlantiks. Seit zehn Jahren lebt Murphy deshalb mit Frau und Kind in Paris. „Die Pariser sind ähnlich unfreundlich wie die New Yorker, also fühle ich mich hier ganz wohl“, erklärt er mit einem Lachen, das sich zu einem ungesunden Husten wandelt. Auf dem Weg zum Pariser Masteringstudio erzählt er mit verrauchter Stimme, dass er sein aktuelles Album „Rainy Season“ in nur acht Tagen in New York aufgenommen hat: „Das hat sich so ergeben, eigentlich fühle ich mich in den USA heute aber wie ein Verräter, der jeden Augenblick erschossen wird“.