„Musik fürs freudvolle Ertrinken“
Heimwerken mit ambivalenten Endergebnis: The Horrors verzichteten für die Aufnahmen zum dritten Album Skying im eigenen Studio auf einen externen Produzenten. Im Leben werde man schließlich oft genug bevormundet.
Faris Badwan, Joseph Spurgeon und Tom Cowan sitzen in einer Hotellobby in der Hamburger Innenstadt und sehen aus wie Hipstamatic-Versionen ihrer selbst. Ein bisschen mit Kontrast und Sättigung herumgespielt, Farbe herausgenommen und einen Schuss Sepia hinzugefügt. Vermutlich das Zusammenspiel der indirekten Beleuchtung und der Mangelernährung aus frisch gepresstem Orangensaft, Bier und schwarzem Kaffee, was natürlich total in Ordnung ist: Wer mit gesunden Menschen sprechen möchte, soll halt Moby treffen!
Allerdings geht bei Badwan mit dem Erscheinungsbild eine notorische Muffeligkeit einher. Auf musikalische Vergleiche reagiert er selbst dann ungehalten, wenn sie über Bande kommen: Ich hätte, so sage ich ihm, bei Skying manchmal an John Hughes‘ Coming-of-Age-Klassiker „Breakfast Club“ denken müssen. „What a shit!“, ruft er. Anschließend schweigt er die meiste Zeit. Das macht nichts, seine Kollegen unterhalten bestens. Etwa mit Geschichten über Bierbecher werfende Jungmänner (kann passieren, wenn man vor den Arctic Monkeys spielt, deren Fans besitzen überschaubare Fähigkeiten, ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen), aber auch mit Anekdoten über das Drumkit von King Crimson. Das, so sagt Cowan, sei aus Edelstahl gewesen und wog über zwei Tonnen. Gesponsert von British Steel.
Spurgeon ist sich nicht ganz sicher, ob er so ein Drumkit möchte. Platz hätte er. Denn die Horrors haben die zwei Jahre zwischen dem hochgelobten Vorgänger Primary Colours (klang ein bisschen so, als würden My Bloody Valentine Bauhaus covern) und dem nun erscheinenden Skying genutzt, um es sich im eigenen Studio einzurichten. „Den meisten professionellen Dienstleistern geht es ums Equipment. Ein paar Hi-End-Mikros, das neuste Mischpult. Wir wollten das anders lösen. Wir wollten Platz. Einen großen Raum, in den wir alle gleichzeitig passen und in dem wir auch nachts arbeiten können“, erzählt Coffin Joe. Und weil sie sich dort sofort wohl fühlten, verzichteten sie auch darauf, externe Hilfe anzuheuern. Nur zur Erinnerung: An dem ziemlich großartigen Primary Colours arbeiteten vor drei Jahren mit dem Musikvideo-Regisseur Chris Cunningham und Portishead-Chef Geoff Barrow gleich zwei Produzenten mit. Brauche man ab sofort nicht mehr, erklärt Spurgeon: „Das ganze Leben lang sagt dir jemand, was du zu tun hast. Da ist es doch mal ganz nett, ein paar Stunden lang frei davon zu sein.“ Barrow etwa habe abends immer heim zu seiner Familie gewollt.
Manchmal klingt Skying eigenartig flach. An anderer Stelle, etwa in „Still Life“ oder in „Changing The Rain“, ist es wunderschön. Hell. Aber nahtod-hell. „Das passt“, sagt Cowan, „Musik fürs freudvolle Ertrinken.“ Und siehe da, endlich lächelt auch Badwan wieder. Wäre trotzdem spannend gewesen zu sehen, was einer wie Barrow aus den Songs gemacht hätte.
Albumkritik S. 91