Musik zum Lesen
Ein gut organisiertes Nachschlagewerk ersetzt so manche Gehirnzelle, und so gesehen ist das New Illustrated Rockbook ein paar Bier weniger wert. 1988 in England erschienen und jetzt von der Edition Olms in Zürich im Original für Deutschland veröffentlicht (29,80 DM) ist das bunte Lexikon zwar nicht brandaktuell, dafür aber in seiner großformatigen Aufmachung, aufgelockert mit Fotos, LP-Covers und Bandstammbäumen um einiges unterhaltsamer als trockene Bleiwüsten.
Plattensammlers Herz schlägt höher, wenn er die zweite Folge von Tilchs Rock-LPs (Taurus Press, 98,— DM) in Händen hält. Die nach besten Kräften komplettierte Auflistung aller jemals erschienenen LPs umfaßt mit der neuen Ausgabe in vier Bänden die Jahre 1971 bis 1980, wie der Vorgänger (1955-1970) geordnet nach Interpreten, und gibt den freundlichen Ausblick auf Teil III (1981-1990), der 1993 erscheinen soll.
Bis dahin darf jeder Kollektor seine private Sammlung noch mit der einen oder anderen illegalen Pressung ergänzen, und auch dafür gibt es jetzt ein Nachschlagewerk: Voigts New Collector’s Price Guide For Bootlegs. Erschienen bei Indigo, Hamburg (Info-Fax: 040-5202016) läßt sich mit dem klugen Führer jeder Wucherpreis entlarven. Was natürlich nicht drinsteht: Wo man die Dinger kaufen kann.
Spitzenreiter der Biographienschlacht: die Doors und kein Ende. Rainer Moddemann ist dabei für den Heel-Verlag als jahrelanger Herausgeber des internationalen Fan-Club-Magazins „Doors Quarterly“ ein kompententer Chronist. Mit Discographie, Originalinterviews und tatsächlich interessanter Hintergrundsinformation ist doors (ISBN 3-893 65-237-X) die Empfehlung für alle, die immer noch nicht genug von Morrison und Co. haben.
Rechtzeitig zu Platte und Tour gibt’s bei Moewig in Hochglanz bebildert die glückliche Geschichte der Dire Straits nachzulesen (16,80 DM). Außerdem im Herbstprogramm des Verlags: großformatige Bildbiographien von Eric Clapton, Bruce Springsteen und Meister Prince.
Trotzdem: Musikerinformationen aus erster Hand sind da immer noch etwas interessanter, und in der Reihe der schreibenden Bühnenstars schwingt ^^^^^^^^ Frank Zappa natürlich die klügsten Reden. I Am The American Dream heißt seine bei Goldmann (28,— DM) erschienene Autobiographie, und ist — wer hätte es anders erwartet? — weniger Zappa-Historie als eine irrwitzige Reise durch den Makrokosmos seiner Gedankenwelt, von den dampfenden Chemie-Experimenten der frühesten Zappa-Jugend bis zum aktuellen politischen Manifest.
Weniger exaltiert, dafür aber wohl um einiges näher am wahren Musikerdasein, beschreibt der New Yorker Songwriter Elliott Murphy (in seinen besten Zeiten als neuer Dylan gehandelt) mit liebevoller Ironie das zweitklassige Dasein eines vergessenen Beinahe-Stars. Kalt und Elektrisch (Edition Nautilus 18,- DM) heißt der fiktionale Kampf mit Kreditinstituten, Plattenfirmen und dem eigenen Schweinehund, und Ähnlichkeiten mit realen Personen sind natürlich rein zufällig.
Kulturhistorische Wahrheiten im Überblick gibt es dagegen im rowohlt-Sachbuch Will You Still Love Me Tomorrow (16,80 DM) nachzulesen. 40 Jahre Mädchenbands, von den Ronettes bis zur Cookie Crew hat Autorin Charlotte Greig zurückverfolgt. Die etwas andere Seite der Popgeschichte zeigt Bein und nicht nur Männer lernen beim Lesen.