Musikkultur, Internet und CD-Brenner: Gedankenmacher Moby ortet im Business ein „Pearl Jam-Syndrom“


Freunde gepflegter Tagebuch-Kultur und taglicher Essays zu allerlei popkulturellen Themen, aber auch zu den großen und kleinen Kalamitäten des Weitgeschehens werden in schöner Regelmäßigkeit auf www.moby-online.com fündig, der Website von Richard Melville Hall, der Welt besser bekannt als Moby. Die Unterrubrik „updates“ dort ist eine reichlich sprudelnde Quelle mit lesenswerten Statements des notorischen Writeaholic. Kürzlich überraschte der Freigeist aus New York darin mit einem einsichtsreichen Aufsatz über die Auswirkungen von Internet-Downloads und CD-Brennern auf das weltweite Musikgeschehen, dessen Essenz wir den MUSIKEXPRESS-Lesern nicht vorenthalten wollen: „Als ich kürzlich die amerikanischen Top 200-Albumcharts studierte, fiel mir ein seltsames Phänomen auf …Lasst es uns das ‚Pearl-Jam-Phänomen‘ nennen: Pearl Jam hat eine sehr computeraffine Fangemeinde. Wenn die Band (oder irgendein anderer Act mit halbwegs interessanter Musik abseits des Mainstream) eine CD veröffentlicht, erwerben nur wenige ihrer Fans das Teil käuflich. Stattdessen laden sie es sich aus dem Netz herunter oder lassen es sich von Freunden brennen. Das führt dazu, dass Alben von Pearl Jam (oder die anderer ähnlich interessanter Bands) sich zuletzt nicht mehr so toll verkauft haben und die Charts stattdessen mit Platten gefüllt sind, die sich technisch unbedarftere Leute kaufen. Diese Platten sind aber meistens nicht besonders interessant oder intelligent… Ich habe überhaupt nichts gegen das CD-Brennen oder das Herunterladen von Musik aus dem Internet. Im Gegenteil: Es schmeichelt mir immer, wenn jemand meine Musik hört-egal über welches Medium. Aber die Folgeerscheinungen des Pearl-Jam-Syndroms sind weitreichend: Beispielsweise schließen Radiosender und MTV aus den Charts, dass smarte und interessant gemachte Musik sich nicht verkauft – also richten sie ihre Playlisten auf kommerziellere Klänge aus und verstärken so den Trend zu wagnisarmer Musik. Dabei hören die Leute die gute Musik immer noch – man kann bloß keine Charts daraus ableiten. Wenn man die Musik, die die Leute in irgendeiner Form – egal ob auf gebrannten CDs oder als Download – nutzen, in Charts erfassen könnte, ergäbe sich ein ganz anderes Bild als aus den Verkaufscharts! (…) Die Plattenfirmen richten sich aber leider nach eben diesen Verkaufscharts und signen deshalb dumme und uninteressante Musik, weil sie glauben, dass die Leute sowas hören wollen.“