Neue HBO-Serie „Westworld“: Roboter mit Herz und verdammt viel Blut
Eine Serie, die die Menschen als abgrundtief schlecht und die künstliche Intelligenzen als aufsteigende Macht darstellt. Klingt erst mal nicht so neu, ist es aber.
Jonathan Nolan geht jetzt also mit einer neuen Serie an den Start. „Westworld“ soll für HBO – nach „Game of Thrones“ – das nächste große Ding werden. Für Nolan ist es das auf jeden Fall. Sein letzter Serienversuch, „Person of Interest“, ging nicht wie gewünscht durch die Decke. Und Nolan blieb der, dem man auf die Schulter klopfte, weil er für Bruder Christopher gute Arbeit als Co-Autor bei „Interstellar“ und beispielsweise auch „The Dark Knight Rises“ leistete. Nach der Ausstrahlung des Piloten seiner neuen Serie am Sonntag hat sich der Blick der Öffentlichkeit auf Jonathan Nolan sicherlich geändert.
Eine Serie, die in keine Schublade passt
Schaut man sich die rund einstündige Einführung in „Westworld“ an, kann es leicht mit einem durchgehen. Ekel. Neugier. Unverständnis. Wut. Verwirrung. Irgendwie laufen diese Gefühle in all ihren unzähligen Abstufungen in Endlosschleife so durch. Schon klar: Wo Nolan draufsteht, und J. J. Abrams auch noch als Produzent fungiert, da muss was zum Nach- und Mitdenken mit einem Meta-Philosophen-Touch drin sein. Aber „Westworld“ ist jetzt wirklich mal der volle Mindfuck. Die Serie lässt sich nicht einfach nur in die Sci-Fi-, und schon gar nicht allein in die Westernschublade stopfen. Ein bisschen erinnert das Ganze schon auch an ein Videospiel. Aber selbst das reicht nicht aus, um diese Welt zu beschreiben.
Zum Inhalt: Da haben wir zum einen Anthony Hopkins, der gar nicht mal so irre wie in seinen sonstigen Rollen wirkt. Eher weise und aufgeklärt. Und ein wenig depressiv. Mit dem Hang dazu, seine Probleme bei anderen abzuladen. Hopkins Figur hat jedenfalls eine Art futuristischen Freizeitpark erschaffen, in dem sich die Menschen, die das nötige Kleingeld haben, mal so richtig austoben können. In der Praxis heißt das: Die meisten Besucher schießen sich lachend durch den Wild Wild West. Dafür stehen ihnen unendlich viele, unglaublich echt wirkende Roboter zur Verfügung. Für den Zuschauer heißt das: jede Menge Blut, zerfledderte Köpfe, Gesichter, Körper. Das ist so ästhetisch wie in einem David-Cronenberg-Film – also irgendwie schon wieder Kunst.
Nimmt man das Geballere mal weg, bleibt da Dolores. Also Evan Rachel Wood. Zunächst nackt auf einem Stuhl sitzend, in einem dunklen, cleanen Raum. Eine Fliege klettert auf ihrem Auge herum. Aus dem Off werden Fragen an sie gerichtet, à la: Stellst du deine Welt eigentlich in Frage? Sie antwortet darauf so ruhig, als hätte sie gleich eine ganze Xanax-Packung intus: Nein, alles wäre für sie genau so normal. Dieses Ruhige, aber komplett Unnormale, hat fast schon Horrorcharakter. Während man sich als Zuschauer angeregt fragt, was da wohl als nächstes kommt, beginnt die Serie mit Wiederholungen: Immer wieder müssen wir den absolut blass bleibenden James Marsden ertragen, wie er als Charming-Cowboy seiner geliebten Dolores entgegenreist, sie dann in die Arme nimmt und so weiter und so fort.[facebooklikebox titletext=’Folgt uns auf Facebook!‘]
„Westworld“ läuft bisher in Deutschland bei Sky auf Abruf. Ab Frühjahr 2017 kann aber auch mit einer deutschen Synchronfassung gerechnet werden. Doch das Reinschauen lohnt sich definitiv jetzt schon – immerhin könnte man ja sonst den nächsten großen Hype verpassen. Denn auch wenn Dolores zu Beginn das brave, absolut unschuldige und eindimensionale Robotermädchen gibt (was teils ermüdend sein kann), steckt da mehr hinter der Hülle. Möglicherweise ist sie ein Robogirl, das weit mehr empfinden kann, als zunächst von Dr. Robert Ford, alias Hopkins, und seinem Kollegen Bernard Lowe (Jeffrey Wright) programmiert wurde.
Mensch? Roboter? Egal.
Es deuten sich bereits Fehlfunktionen an. Und dann gibt es da noch Ed Harris als wirklich düsteren Typen, der seiner ganz eigenen Mission im Wilden Westen zu folgen scheint. In einer Szene zerrt er die arme Dolores am Nacken fort, so weit, bis man sich nicht mehr sehen kann. Danach wirkt das Unschuldslamm verändert. Wurde sie umprogrammiert? Was ist hier los? Und wieso wirken die Leute, die an der Kreation dieser falschen Realität arbeiten, auch wie Roboter? Sind es einige von ihnen am Ende sogar? Die Roboter scheinen an mancher Stelle mehr Herzblut und mehr Weitsicht zu haben als ihre Schöpfer und Programmierer – deeper Shit also.
„Westworld“ kann bereits in der ersten Folge viele Pluspunkte sammeln. Eine Staffel-Weiterführung scheint nur logisch. Die Story, die auf dem Klassiker von Michael Crichton aus dem Jahr 1973 basiert, bietet in jedem Fall eine spannende Ausgangslage, die Macher sprechen von fünf oder sechs möglichen Staffeln. Man will mehr von diesen komischen Gefühlen, die alle auf einmal auf einen einströmen. Man will mehr Evan Rachel Wood. Aber auch mehr von den hochkarätig besetzten Nebenrollen. Was ist denn eigentlich mit Luke Hemsworth, Thandie Newton und Rodrigo Santoro?