Nicht cool genug
Kinderchöre, Flöten und vertonte Fotos aus den 70ern: Badly Drawn Boy ist total unhip. Und das ist gut so.
Damon Gough kann etwas Großartiges. Er kann Melodien schreiben, die sich einem ins Ohr schmiegen und nicht mehr rausgehen. Als dieser Berichterstatter vor fünf Jahren das große Vergnügen hatte, in London einen frühen Auftritt des damals noch mützenlosen (!) Badly Drawn Boy zu sehen, spielte dieser ein eben fertiggestelltes Lied namens „Pissing In The Wind“. Es sollte über ein Jahr dauern, bis es auf dem Badly-Debüt THE HOUR OF be wilder beast ein Wiederhören gab, aber die Melodie verblieb all die langen Monate im Kleinhirn und wurde viel durch die Gegend gepfiffen. Wenn man Dämon Gough so etwas erzählt, freut er sich. Und das ist gut, weil er sich doch ein wenig bedrückt anhört durchs Telefon. Nein, ein Spaßvogel ist er nicht, der zurückhaltende Mann aus Manchester, der sich seit Jahren hinter Wollmütze und Bartgestrüpp versteckt wie hinter einem Schutzhelm. Vielleicht ist es dieser Look und sein – nicht zuletzt aus legendär ausufernden Live-Auftritten resultierendes – Image als Schrägling, weswegen der 34-Jährige oft immer noch nicht als das ernst genommen wird, was er ist: einer der besten Songwriter seiner Generation. Der jetzt mit ONE plus ONE IS ONE ein Album gemacht hat, das ihn endgültig auf eine Stufe stellt mit Leuten wie Beck und Will Oldham. Ernsthaft, fast grüblerisch erweist sich Gough im Gespräch, gibt sich aber auch selbstbewusst stolz auf seine Arbeit und gar ein wenig unverstanden.
Lass mich vorausschicken, dass ich Hals über Kopf verliebt bin in one plus one is one.
Oh, sehr gut, danke!
Die Platte klingt sehr folkig, finde ich, sie hat so eine 70er-Jahre-England-Atmosphäre, während das letzte Album noch mit großer Musical-Geste auffuhr.
Mir wurde schon gesagt, es klinge sehr nach John Lennon, was mich natürlich ehrt. Aber diese Facette hatte ich auch schon früher, mit Songs wie „The Shining“ und „Stone On The Water“ auf dem ersten Album, für die ich Nick-Drake-Vergleiche bekam. Die Gesamtatmosphäre der neuen Platte hat viel mit Andy (Votel, Goughs altem Freund und Partner, der ONE PLUS one IS one produzierte] und seiner Vorliebe für diese Musik, diese Welt zu tun. Sicher auch, weil ich einfach nah an Zuhause war. Beim letzten Album saß ich in L.A., hatte nur Telefonkontakt nach Hause, machte mir Sorgen und war am Durchdrehen mit der Arbeit an diesem Album, das so GROSS werden sollte. Diesmal war ich im Studio in Stockport, 15 Meilen von wo ich wohne. Und es sind ein paar Sachen passiert, die sich auf die Platte ausgewirkt haben.
Zum Beispiel?
Gegen Ende der Produktion, im Oktober, starb ein Freund von mir, Matt, nur kurz vor Elliott Smith. Viele schlimme Sachen in kurzer Zeit. Mein Freund hatte mir ein Foto von sich gegeben, auf dem er als Kind auf einem Baum sitzt, so ein tolles Foto aus den 7oern. Ich hatte das Bild dann immer bei mir. Und nahm „Easy Love“ auf und „Fewer Words“, arrangierte „Another Devil Dies“ um … ich wollte, dass die Songs klingen, wie dieses Foto aussah. Wie ein Soundtrack dazu. Das war ein Wendepunkt, obwohl die Platte ja thematisch schon in so eine Richtung ging.
Inwiefern?
Als wir mit der Platte anfingen, reparierte mein Onkel unser Hausdach und erzählte mir von dem Grabstein meines Großvaters in Frankreich – er fiel im Krieg. Darauf steht die Inschrift „To live in the hearts ofthose he loved is not to die“. Diese Zeile fand ich sehr schön und wollte sie irgendwie verwenden. Sie ist jetzt im vorletzten Song, „Takes The Glory“. Es gab also schon früh auf dem Album das Thema Tod, verbunden mit Hoffnung für die Zukunft. Diese Grabinschrift und der Tod meines Freundes waren zwei Sachen, die das Album in gewisser Weise definierten.
Ein zentraler Songs ist „Year Of The Rat“. Was für eine Bedeutung hat das chinesische Jahr der Ratte denn eigentlich für dich?
Ja. Seit wir darauf gekommen sind, dass Claire, meine Freundin, im Jahr der Ratte geboren ist. Davor war es nur eine Phrase, die mir als Titel gefallen hat. Na ja. Und vielleicht bin ich dieses Jahr ja die Ratte, die Wanderratte. Weil ich mich in eine neue Ära bewege. Der Vertrag mit meinem Label XL läuft aus, ich ziehe quasi weiter. Das spielte auch eine Rolle in den Texten, das Ende einer sechsjährigen Beziehung. Diese Leute haben mir geholfen, der zu werden, der ich bin, und mir liegt an ihnen. Das löst natürlich Gefühle aus.
Der Kinderchor auf“Year Of The Rat“ und „Holy Grail ist toll. Was sind das für Kinder?
Das „Moolah Rouge“, wo wir aufgenommen haben, ist ein Komplex von Studios und Proberäumen. Unter anderem ist da eine Wohltätigkeitsorganisation eingemietet, die Kindern Musikunterricht gibt, und die haben auch einen Kinderchor. Die haben wir gefragt. Zehn von ihnen kamen rüber, ich hab‘ ihnen die Songs beigebracht, und los ging’s. Es war toll. (Pause) In der einzigen negativen Kritik, die ich bisher gesehen habe, steht, dass der Kinderchor völlig bescheuert ist. Und fürs Radio ist es auch ein Problem. Weil „Year Of The Rat“ die einzige Single sein wird und die Sender den Song so nicht spielen. Jetzt wollen sie, dass ich eine Version ohne die Kinder mache.
Was ? Was soll das denn ?
Die fürchten wohl, das könnte nicht cool genug klingen neben einem R&.B-Song von den Neptunes.
Die Neptunes konnten mal Kinderchöre vertragen.
Die kämen wohl auch damit durch, weil sie en vogue sind. Ich bin wohl nicht en vogue. (lacht) Beim letzten Album have you’d the fish hast du mit Erwartungsdruck gekämpft. Wie war das diesmal ?
Es gibt immer irgendeine Art Druck. Aber ich glaube, ich habe es immer geschafft, eine zumindest gute Platte zu machen, wie auch immer die Umstände waren. HAVE you fed the fish wurde viel kritisiert, aber ich finde immer noch, dass da kein wirklich schlechter Song drauf war. Die Produktion sei over the top gewesen. Aber wen schert’s, das ist Freiheit.
Dich scheint es aber ziemlich viel zu scheren, was die Leute über deine Arbeit sagen und schreiben.
Na ja, doch, (zögert) Weil ich schon finde, dass ich zumindest für etwas stehe, das doch eigentlich begrüßenswert ist. Und das wird oft nicht gesehen. Ich habe immer für kreative Freiheit gestanden. Zum Beispiel wurde ich viel kritisiert für meine Konzerte. Dass ich zu viel rede und nicht genug Songs spiele. Aber die Message war doch immer: Ich mache das so, weil das ich bin. Und wenn ich damit auf die Nase falle, bin ich bereit dafür. Ich bin jetzt eh, na ja, „professioneller“ geworden. Ich habe jetzt mehr Songs zu spielen. Und kann den Blödsinn bleiben lassen.
Nein, nicht den Blödsinn bleiben lassen!
Na ja, es wird etwas ausgewogener werden, (lacht) Was ist für dich der Schlüsselsong auf der Platte ?
Ich würde sagen: „Fewer Words“. Es ist der kürzeste Song – knapp über eine Minute -, den ich je aufgenommen habe. Der Song steht für mich für einen Destillationsprozess, eine Suche nach Essenz, über die ich mich in letzter Zeit viel mit Leuten unterhalten habe. Du suchst nach der Essenz in deiner Kunstform und versuchst, letztlich nur diese wichtigsten Bestandteile zu verwenden. Auf dieser Platte gehe ich in diese Richtung. Sie ist viel reduzierter, weil ich gelernt habe, so zu arbeiten. Vor ein paar Jahren noch hätte ich so etwas wie diesen Song oder „Easy Love“ nicht hingekriegt, weil ich gedacht hätte: Das ist nicht genug! Das hat auch was mit Selbstvertrauen zu tun.
„Easy Love‘ hat eine recht einzigartige, märchenhaftspukige Atmosphäre. Wie kam dieser Sound zustande?
Ich saß mit der Gitarre vor einer Satellitenschüssel. Die reflektierte meine Stimme und die Gitarre in verschiedenen Winkeln in verschieden platzierte Mikros, und das ergibt diesen eigenartigen Live-Sound. Ich habe ein paar Takes gemacht, und der auf der Platte ist nicht unbedingt der beste. Aber bei diesem Take ist genau an der Stelle, wo ich singe: „talking to a friend yesterday“, dieses seltsame Geräusch.
Richtig, da ist so ein komisches Knacksen.
Ja, wie ein brechender Zweig oder so. Ich spielte den Take zu Ende, sah mich aber um, weil ich dachte, jemand habe etwas fallen gelassen. Aber da war niemand im Raum außer Colin am Mischpult. Das war knapp eine Woche, nachdem dieser Freund von mir gestorben war. Ziemlich unheimlich. Bis heute weiß niemand, was dieses Geräusch verursacht hat. Vielleicht ein Balken im Studio, der knackte. Auf jeden Fall dachte ich mir: Das lasse ich so. Das gefällt mir.