Nicht deponiefähiges Material


Auf der Flucht vor dem grassierenden 08/15-Indie in der Heimat zog es die Londoner The Rakes nach Berlin. Das neue Album klingt alles andere als bequem entsorgbar - mehr Avant- garde muss dann aber auch nicht sein.

„Landfill Indie“ – immer wieder fällt dieser Begriff im Gespräch mit Alan Donohoe, dem Sänger der Rakes. Der Begriff – wörtlich übersetzt: „Indierock für die Deponie“ -, der in den letzten Jahren vom NME geprägt wurde, beschreibt, so Donohoe, „gewisse englische Bands, die melodischen Gitarrenpop für Mädchen machen, die ansonsten kein Verständnis von Musik haben. Die Musik ist uninspiriert, die Lyrics uninteressant. England ist momentan voll von solchen Bands!“

Verschreckt von Legionen Röhrenjeans tragender Teenager, trieb es das Quartett aus Whitechapel, London nun nach Deutschland. Ihr in Berlin aufgenommenes drittes Album KLANG führt die Rakes zurück zum schroffen Sound des Debüts CAPTURE/RELEASE von 2005. „Wir wollten mit dem Album die Atmosphäre unserer Liveshows einfangen. Auf der letzten Platte TEN NEW MESSAGES waren wir etwas zahmer und haben mit Studiotricks experimentiert. Und ich habe das Konzept , Harmonie‘ für mich entdeckt“, sagt Donohoe und lacht. „Aber jetzt war es an der Zeit, wieder mit einfachen Mitteln zu arbeiten und uns auf die Songs zu verlassen.“

Für die Rückbesinnung schien dem Quartett Berlin als durchaus passender Ort. „Wir mussten raus aus London“, sagt Donohoe. „Der Alltagstrott und der Stress waren im Weg. Und die momentane Bandszene ist so was von langweilig. Gleichzeitig war es mir aber wichtig, dass die neuen Songs in einem urbanen Umfeld entstehen und nicht in einem Landhaus am Ende der Welt oder so. Drum haben wir uns für ein paar Monate in Berlin eine Wohnung gemietet.“

Ein für die Entscheidung ausschlaggebender Aspekt waren die Hansa-Studios, in denen David Bowie, Brian Eno und Iggy Pop Ende der 70er ihre legendären „Berlin-Alben“ aufnahmen. „Die Songs auf UM und LUST FOR LIFE wirken immer noch frisch. Die ungewöhnlichen Akkordwechsel und atonalen Passagen diese Musik klingt immer noch so interessant! So was wollten wir finden, ohne uns zu sehr auf poduktionstechnische Aspekte zu verlassen. Bei Bands wie Bloc Party klingt das im Moment natürlich super, wenn die einen Song mit allerhand elektronischen Spielereien glätten, aber dieser Sound wirkt sehr schnell veraltet.“

Den Einfluss von Bowie und Eno merkt man KLANG an: Immer wieder unterbrechen atonale Gitarrensoli und kurze Noise-Passagen die von Post-Punk beeinflussten Stücke. KLANG ist vor allem dadurch ein wesentlich interessanteres Hörerlebnis als die dritten Alben vieler Bands, mit denen die Rakes noch bei ihrem Debüt in einem Atemzug genannt wurden. Einen Ausbau in avantgardistischere Richtungen schließt Donohoe aber aus:,, Wir wollen nicht alles, was melodische Musik ausmacht, über den Haufen werfen. Dabei würden dann auch all die für unser Ohr angenehmen und einprägsamen Elemente wegfallen. Es wäre interessant, aber… nein!“

Albumkritik S. 84

www.Iberakes.co.uk