Nieder mit dem Rock’n’Roll
Ohne Mode läuft heute nichts mehr. Pop ohne Styling ist wie 'ne Teddy-Tolle ohne Pomade: Sie hält nicht und hat keinen Glanz. Glücklich der, wer sich sein Image selbst schneidern kann. Die ACE CATS haben dafür Sänger Markus Fräger.
Ich halte nichts von der Einstellung: Die auf der Bühne sollten nicht anders aussehen als ihr Publikum. Ist hier leider immer noch ziemlich verbreitet.“ Sagt Markus Fräger, der die Ace Cats anzieht.
Musik und Mode, das ist angesagter denn je. Wo früher Grace Kelly und Soraya als trendsettende Kleiderständer über Leinwände und rote Teppiche stolperten, haben heute die Leute vom Rock die Hosen an. Die meisten von ihnen tragen jedoch, was Couturiers ihnen von außen antragen.
Bei den Ace Cats aus dem Ruhrgebiet sieht die Sache anders aus —- denn Mode-Mann Markus ist in Personalunion auch Leadsänger der Band. Das heißt, und damit kommen wir den Hintergründen der Geschichte schon näher, eigentlich wäre er ja jetzt gerade mit seiner Doktorarbeit fertig; Kunstgeschichte und Archäologie hat er mit Ausdauer und fast zu Ende studiert, aber dann lockten „Linda“ und eine Karriere als Rock ’n‘ Roll-Star.
Und dann gibt es da noch sein Alter Ego: Als „Maxim“ malt er, groß und gerne: Galerien stellen seine Werke aus, Plattenfirmen drucken seine Cover.
So kam auch die Verbindung zwischen Musik und Band-Outfit zustande: „Als wir in den 70ern mit Rock ’n Roll anfingen, war es ziemlich schwer, stilechte Klamotten zu kriegen. Unter der Hand wurden die Adressen von bestimmten Second-Hand-Läden weitergereicht, manches hohe man sich aus England, aber auf Dauer war das unbefriedigend.
Mir schwebte immer schon vor, wie man sich anziehen müßte, aber mit Worten konnte ich den anderen das schlecht erklären. Also habe ich angefangen, Garderobe zu zeichnen, und daraus sind dann die ersten Entwürfe entstanden. „
Mittlerweile hat sich auch dieser Prozeß professionalisiert: Fräger läßt ein Schneiderinnen-Team für sich arbeiten, er ist auf den bedeutendsten Modemessen ständiger Gast, besorgt sich seine Stoffe in Frankreich und Italien, internationale Modemagazine drucken seine Kreationen. Für jede Tournee wird bei den Ace Cats eine fünfstellige Summe ins aktuelle Bühnen-Outfit investiert.
Markus Fräger will sich aber nicht als Modeschöpfer (miß)verstanden wissen: „Ich versuche nicht, Mode zu machen, sondern Atmosphäre zu schaffen.“ Und das bezieht sich eben nicht nur auf das, was seine Band trägt, sondern auf das künstlerische Gesamt-Konzept: Was die Mischung aus Rock ’n‘ Roll der 50er Jahre und zeitgenössischem Pop in der Musik ausdrückt, soll sich im Outfit der Band genauso widerspiegeln wie in der Bühnengarderobe, wie auf dem Plattencovcr, wie auf den (bei den Ace Cats immer sehr aufwendig gestalteten) Pressefotos.
Die enge personelle Verquickung zwischen der Abteilung „Image“ und der Abteilung „Musik“ sorgt dafür, daß Aufgesetztes keine Chance bekommt. Fräger: „Wenn ich am Zeichentisch sitze, habe ich erstens unsere Leute immer genau vor Augen — und zweitens die Stücke, zu denen sie die jeweiligen Sachen tragen sollen. Da muß man sehr vorsichtig sein. Abendgarderobe wirkt z.B. sehr schnell overstylt. Das konterkariere ich dann vielleicht durch gammelige Lederklamotten beim nächsten Stück.
Ansonsten verkörpert jeder bei uns in der Band einen ganz bestimmten Typ, der seiner tatsächlichen Persönlichkeit möglichst nah kommt. Als gedankliche Brücke haben wir dazu — getreu unserem Namen ,Ace Cats‘ — die vier Spielkarten-Farben zu Hilfe genommen. Thomas, der Gitarrist mit seinem lässigen Herzensbrecher-Image, ist natürlich der Herzbube: weich, ein bißchen schlampig, smooth, mit Pomade im Haar. Luitger, der Bassist, ist immer ein bißchen eckiger -— korrekter —- der Karo-Bube. Er trägt z.B. einen grauen Anzug mit langer Jacke, alles Ton in Ton, dazu eine Sonnenbrille. „
Christian, der Schlagzeuger, hat den Kreuz-Buben gezogen, und Markus spielt den Pik-Buben aus. Tina und Petra, die beiden Sängerinnen, sind natürlich -— wie sollte es anders sein -— die Joker im Spiel.
Einst angetreten als Live-Band, für deren Publikum Saufen, Krawall und ’ne anständige Nummer genauso wichtig war wie die Musik selbst, bewegen sich die Ace Cats mit ihrem durchgestylten Konzept auf schlüpfrigem Boden. Diese Gefahr Übersicht auch Markus Fräger nicht: „Man muß höllisch aufpassen, daß das Ganze nicht künstlich wird. Aber ich glaube, das passiert bei uns nicht, denn das, was ich vorschlage, setzt ja jeder von uns so um, wie es ihm selbst am besten entspricht.
Natürlich kommt es vor, daß ich einen Entwurf mache, der auf dem Papier toll aussieht, aber nur noch lächerlich wirkt, wenn jemand den fertigen Anzug oder das fertige Kleid anhat. Klar, wird dann sofort aus dem Verkehr gezogen.“
Wenn Markus Fräger sich an den Zeichentisch setzt, um neue Klamotten zu entwerfen, geht er erstmal in sein „Archiv“: im Kopf gespeicherte Bilder aus alten Filmen, Konzertmitschnitten, Plattenhüllen, Modezeitungen, aber auch aus der Werbung: „Mieder-Reklame aus den 50ern — da lassen sich immer wieder tolle Anregungen holen. „
In den Anfangszeiten der Ace Cats hatten sie’s im Prinzip leichter, aus dem Rahmen zu fallen, denn kein Mensch rannte so rum. Inzwischen sind viele Stilelemente der 50er in die aktuelle Mode eingeflossen; weite Hosen oder breite Krawatten, das sieht man in jeder Disco, wie schafft man es, sich da wirkungsvoll abzusetzen, wenn das Publikum am Ende nicht doch so aussehen soll wie die Band auf der Bühne?
„Beispielsweise durch Übertreibung. Indem ich, um ein simples Beispiel zu nennen, die Hosen noch weiter, die Schlipse noch breiter mache. Oder indem ich Sachen miteinander kombiniere, die ‚man‘ eigentlich nicht kombinieren darf. Dadurch kriegt die ganze Sache sofort einen neuen Akzent. „
Was in Deutschland zu Frägers Leidwesen nicht immer zu realisieren ist, denn provinzielles Denken und Engstirnigkeit führen manchmal zum genauen Gegenteil dessen, was eigentlich erreicht werden sollte.
„Dann heißt es: Wie sehen die denn aus? Die ham’se wohl nicht mehr alle! In England wäre sowas unvorstellbar. Da ist nichts zu schrill, da kann man ruhig immer noch einen Tick verrückter sein als bei uns.“
Von Karl Lagerfeld stammt der Satz, die Rockmusik sei der einzige kreative Bereich, in dem sich in puncto Mode überhaupt noch etwas abspiele. Mehr noch: Musiker wie Prince und Madonna kreieren nicht nur neue Musik, sondern liefern einer ganzen Generation von Fans noch das Outfit dazu.
Wieweit sich dadurch die Wertigkeiten verschieben und die Musik zum Beiwerk degradiert wird, wenn die C & A-Zulieferer plötzlich Paisley-Hemden im Kubikmeter billiger in die Läden drücken, steht auf einem anderen Blatt. Message raus, Mode rein. Strapse statt „Streetfightin‘ Man“, das ist eine Entwicklung, der Markus Fräger gelassen ins Auge schaut: „Ich hab‘ da nie Illusionen gehabt. Zu denen, die in der Rockmusik eine Ausdrucksform von Jugendrevolte sahen, habe ich mich nie gezählt. Sich schlapp mit Jeans und Holzfällerhemd auf die Bühne stellen, das bringt’s nicht. Für mich gibt’s nur eins, was im Rock n Roll zählt: Sex … Und das gilt für die Jungs genauso wie für die Mädchen. „
Erotik, mal unterschwellig, mal ganz direkt, ist das wesentliche Stilmittel in seinen Kreationen. Und so wie die Satinwäsche aufs Liebeslager gehört, präsentiert er schwitzende Musiker in kühlender Seide oder in knackigem Leder, je nachdem wie die Dinge gerade liegen oder auch stehen: „Erhitzt, verschwitzt und derangiert —- das ist meine Devise. Aufwendige, extravagante Kleidung und dazu eine aggressive, schmutzige Rock ’n Roll Show. Das Publikum muß erschrecken, wenn sich einer mit der Seidenhose auf die Bühne schmeißt. Dieses Verwuscheln und Kaputtmachen des Glitzer-lmages, das ist sowas Ähnliches wie einer tollen Frau ein elegantes Kleid vom Leib zu reißen — – einfach geil!“