Nils Lofgren tritt aus dem Schatten


Da gibt es große Stars und kleine Stars und vereinzelt auch Stars hinter Stars. Zu jenen könnte man Nils Lofgren zählen. Die meiste Zeit seiner steilen Karriere stand er im Schatten des großen Neil Young oder besser: Er stand hinter ihm und kam nicht um ihn herum. Bei Neil wurde er gehegt und gepflegt und dadurch auch irgendwie abgekapselt. Heute, da er endlich auf eigenen Beinen steht, scheint diese Isolation die einzige Erklärung dafür zu sein, warum es so lange gedauert hat.

„Es ist nicht etwa so, daß ich nicht mehr mit Neil spielen möchte. Nur ist es jetzt Zeit, um meine eigene Sache durchzuziehen, anstatt weiterhin als Begleitmusiker zu spielen“, meint Nils, überzeugt von seinen gerade angelaufenen Solo-Abenteuern. Und er hat nicht ganz unrecht: Die guten Kritiken, die er jahrelang eingeheimst hat (als Back-up Man), können nunmehr auf den Solokünstler Lofgren übertragen werden.

Nils trifft Neil

Er traf Neil Young in den Tagen der Auflösung von Buffalo Springfield in Washington, und sie verstanden sich auf Anhieb prächtig. Zudem mochte jeder die musikalische Richtung des andern. An eine eventuelle Zusammenarbeit freilich dachte keiner von ihnen. Neil stellte ihn seinem Manager David Briggs vor, der für Lofgren in kürzester Zeit reinen Tisch machte. Nils hatte sich nämlich bis dahin in etlichen New Yorker Verträgen und Kontrakten verfangen, die ihm schwer zu schaffen machten.

Die ersten Platten

Lofgren hatte schon damals eine eigene Band beisammen, die er, in Abwandlung seines Namens, „Grin“ getauft hatte. Damals sammelte er auch die ersten Studioerfahrungen, nämlich während der Aufnahme zu „Grin“, dem Platten-Erstling. Sie wurde lange vor „After The Goldrush“, Neil Youngs einzigartigem Klassiker, aufgenommen, erschien allerdings erst Monate später. Somit stand für viele fest, daß „Goldrush“ Lofgrens erste Plattenaktivitäten darstellten. Und mit diesem Klassiker handelte er sich den Ruf als ausgezeichneter Begleitmusiker ein. Aber es blieb nicht beim klavierspielenden Kompagnon.

Vor- und Hauptprogramm zugleich

Seine Grin-Aktivitäten liefen gleichrangig neben seiner Arbeit bei Neil Young her, und wenn sie unterwegs waren, spielte er in der Regel in der ersten Konzerthälfte eigene Stücke und später nochmals am Klavier bei Young im Hauptprogramm. „Aber wie konnte ich als Vorprogramm spielen, wenn ich ein paar Minuten später zum Top-Act gehörte?“, fragt sich Nils noch heute leicht verwirrt. Daß Grin mit weit weniger Publikumsresonanz auskommen mußte, als Young, versteht sich von selbst – eine seltsame Geschichte.

Die vier Grin-LP’s

Nach Grins Debut-LP kam „1 + 1“, ein noch weitaus konsequenteres Album als der Erstling, in dem ohnehin bereits harte Rocktöne an weichen Country-Melodien rieben. „All out“ im Jahre 1973 war die dritte Platte und führte Nils‘ jüngeren Bruder Tom in den Kreis der sympathischen Westcoastmusiker ein. Kurz zuvor hatte Lofgren die erste LP von Crazy Horse, Neil Youngs Begleitband, aufgenommen und damit wieder mal einen Baustein zu seinem legendären Begleitmusiker-Image geschaffen. Aber Nils wurde langsam immer unsicherer. Da mit Grin ein größerer Publikumserfolg nicht abzusehen war, und er bei Neil nicht vom Fleck kam – was also tun??

Grin wird aufgelöst

Nils, sein Bruder Tom, Bob Berberich und Bob Gordon suchten nach einem Ausweg aus der Misere und meinten ihn mit dem Wechsel der Plattenfirma gefunden zu haben. Aber es sollte anders kommen! Nachdem die Aufnahmen zu „Gone Crazy“, dem letzten Grin-AIbum mit dem beziehungsreichen Titel beendet waren und die dazugehörige US-Promotiontour ebenso, sahen die vier keine andere Möglichkeit, als die Gruppe aufzulösen. Im Sommer letzten Jahres starb Grin an den Folgen der Schizophrenie glänzender Kritiken und äußerst geringer Popularität beim Publikum. Die Arbeit mit Neil Young brachte noch die LP „Tonight’s The Night“, ein leicht chaotisches Werk, nach dem für Nils auch endgültig der Ofen aus und das Begleitmusiker-Dasein zu Ende war.

Erste Soloplane

Schon seit langem schwebte ihm eine Solo-Laufbahn vor. und jetzt war er frei und konnte tun und lassen, was er wollte. Also tat er’s! David, sein Manager und Produzent, hielt auch weiterhin zu ihm, und so besaß Nils recht schnell einen neuen Vertrag, diesmal freilich als Solokünstler. Es dauerte nicht lange, da konnte man die ersten Vögel vom fertigen Soloalbum zwitschern hören, und Mitte dieses Jahres erschien es endlich: „Nils Lofgren“ auf A & M.-Records. Viel Zeit war inzwischen vergangen, was der Platte allerdings nur gut tat. Lofgrens Erfahrungen als Songschreiber, als Arrangeur und Studiomusiker und vor allem die inzwischen erlangte Reife und Übersicht auf Gitarre und Piano ließen das Album zu einer ausgewogenen und wohldurchdachten Produktion gedeihen. Was den alten Fans und „Entdeckern“ von Nils mal wieder Recht gab.

Fantastische Begleiter

Dem Meister standen zwei fantastische Begleitmusiker zur Seite (Wann wird es bei ihnen soweit sein?), die ihn aus Leibeskräften unterstützten: Aynsley Dunbar am Schlagzeug und der Bassist Wornell Jones. Den Rest erledigte Nils im Alleingang, ohne einen weiteren Gedanken an seine etwaigen Kompetenzen zu verlieren, wie er es früher immer so gehalten hatte. Aber damit war jetzt Schluß, und die überschwenglichen Kritiken, die auf „Nils Lofgren“ folgten, bewiesen, daß er damit nicht auf dem Holzweg war.

Die neue Band

Nun brauchte er allerdings schleunigst eine Band – in der er der Chef war und keine, in der er (nur) mitspielte. Aynsley und Wornell waren leider nicht abkömmlich, und schon wieder schienen sich Schwierigkeiten aufzutürmen. Nach ein paar Wochen angestrengter Suche in und um Los Angeles jedoch hatte er die neue Crew beisammen: Sein Bruderherz wieder einmal, den „schwarzen“ Drummer Mike Zack und den Bassisten Scotty Ball. Alles mehr oder weniger unbeschriebene Blätter, die aber einen Vorzug hatten: Sie waren frisch und unverdorben und gingen mit Feuer an die Sache heran. Die derzeit laufende Tour in den Staaten bringt ihnen Erfolg zu Erfolg und bestätigt Nils‘ Mischung aus Rolling Stones-Klängen – Keith Richard ist einer seiner Götter – Rock’n’Roll der späten 50er Jahre und sensibleren Countryrock-Anspielungen. Es ist die Mischung, die er von jeher bevorzugt und beibehielt, und’sie wird es sein, die Lofgren auch in Deutschland zu unzähligen Fans verhelfen wird.