Nina & Lene
Voll wars in Hamburgs neuem, recht gemütlichen Konzert-Etablissement „Knopfs Music Hall“ an der Reeperbahn, was einmal mehr beweist, daß Nina Hagens Star-Qualitäten auch ohne erfolgreiche Plattenveröffentlichungen immer noch die Neugier kitzeln. Mit ihrer Freundin Lene hatte Nina denn auch einen passenden Anheiz-Act gefunden. Nicht nur, daß die beiden derzeit (u.a. mit einer gemeinsamen Single) gegen Tierversuche zu Felde ziehen, auch musikalisch beackert jede für sich seit Jahren mehr oder weniger dasselbe Feld.
Lene Lovich jedenfalls schien wie frisch für eine nostalgische New-Wave-Broadway-Revue zurechtgemacht: kurzes Reifröckchen, Paradiesvogel-mäßiger Kopfputz und natürlich ihre Musik, deren düster-fröhliche Horrorfilm-Romantik auch schon Ende der 70er Jahre ganz ähnlich zu hören war. „Lucky Number“, „Bird Song“ -— alles wie gehabt, und ihr Gitarrist und langjähriger Lebensgefährte Les Chappel hatte die Band fest im Griff. Alles wartete auf Nina.
Nina kam nahezu unspektakulär: Mit Zylinder und Schleppe schoß sie zunächst ihren Show-Leitartikel in Form einer Ballade ab – „The world is in stress/The world is a mess“, und wir sollen uns doch bitteschön alle ein ganz klein wenig mehr liebhaben, denn die Liebe ist ja bekanntlich eine Himmelsmacht.
Womit sie schon fast beim Thema war, denn auch diesmal kamen Ninas gepeinigte Fans um die Jesus- und Ufo-Nummer nicht herum, und auch klassische Hagen-Fragen wie „Glaubt ihr an Wiedergeburt“ etc. („Nö“ war die vielkehlige Antwort) ließen die Stimmung nicht gerade überschäumen.
Dabei konnte Ninas Band im Prinzip ganz anständig losbolzen: Ihr derzeitiger (britisch/irischer) Gitarrist Billy Liesegang trieb zusammen mit dem schwarzen Bassisten Karl Rucker das kompakte Vier-Mann-Outfit stets kraftvoll voran. Bezeichnenderweise vor allem in klugerweise günstig plazierten Cover-Versionen, die von Ninas eigenen, eher mittelmäßigen Songs ablenkten. Patti Smiths donnerndes „Pumping My Heart“ oder die (seinerzeit von Conny Froboess gesungene) deutsche Version von Paul Ankas „Diana“ kamen denn auch beim Publikum meist besser weg. Hier ging man wohlweislich auf Nummer sicher und spielte auch „Light My Fire“ vorsichtshalber im akkurat originalgetreuem Mensa-Feten-Stil. Selbst bei einem „eigenen“ neuen Stück über russische Impressionen flüchtete sich Nina Hagen ins altbewährte „Kalinka“, halt immer noch ein Klasse-Song.
Dabei hat sie alles, um ein echter Star zu sein: Selbstbewußtsein, Persönlichkeit, Stimme, Mut zum Chaos und zum Zoff mit dem Publikum. Gerade weil Nina nicht gertenschlank ist und sich trotzdem in knallenge, glänzende Bodystockings zwängt, mit den Hüften rollt und die Zunge raushängen läßt, ist sie verdammt sexy und zumindest zeitweise eine wirklich amüsante ShowNudel. Und in Anbetracht der Tatsache, daß die deutsche Rock-Szene sowieso hauptsächlich mahnende Langweiler zu bieten hat. muß man Nina Hagen trotz allen Glaubenseifers eigentlich doch schon wieder küssen. Es wäre nur schön, wenn sie ihre wirklichen Talente mal kultivieren würde -— dann könnte sie die Größte sein und müßte nicht Zarah Leander parodieren.‘