No fun, Van


Auf der kreativen Ebene bin ich nie zufrieden“, sagt VAN MORRISON. „Unzufriedenheit ist es, die mich dazu bringt, an etwas Neuem zu arbeiten, und aus dem Neuen wird dann schließlich ein Album. Jedesmal, wenn ich denke, daß ich die Zufriedenheit endlich am Wickel habe, verschiebt sie sich irgendwie, verstehst du?“

Gerade jetzt ist Van mal wieder so richtig unzufrieden. Kurz davor, alles hinzuschmeißen. Sein neues Album NO GURU, NO METH0D, NO TEACHER ist einerseits eine musikalische Meditation, andererseits eine Auflistung all seiner Klagen. Der letzte Song, „Ivory Tower“, handelt davon, daß Van immer nur mißverstanden worden ist: In seiner Zeit als belesener Arbeiterklassen-Fensterputzer wußte schon keiner, was er von ihm halten sollte — heute verstehen sie ihn noch weniger. Er ist alles in allem viel zu ernsthaft, zu eindringlich und zu tiefschürfend für die sonnige Welt des Pop.

Nichtsdestotrotz tun Pop-Sänger gut daran, seinem Vorbild nachzueifern. Springsteen und Bob Seger sind nur zwei, die sich zu seinem Einfluß bekannt haben, dabei gibt es hunderte — besonders bei den Iren, vom späten Phil Lynott über Geldof bis zu Newcomern wie Cactus World News, und den pseudo-irischen Typen wie Waterboy Mike Scott, die die Nuancen in Vans Gesang eingehend studieren und imitieren.

„Yeah“, knurrt Van (die vielen Jahre, die er in Amerika verbracht hat, haben seinen fetten Belfaster Akzent kaum gefärbt), „als es bloß ein paar Jungs waren, dachte ich: ,Okay, laß sie machen.‘ Das geht jetzt aber schon Jahre so, und mir steht’s bis hier. Entweder die Kerle suchen sich irgendwen anders zum Kopieren, wenn sie schon keinen eigenen Slil finden, oder sie fangen an, mir Tantiemen zu zahlen. Es hat mich nämlich ganz schön Zeit gekostet, herauszukriegen, wie man singt, und das war harte Arbeit.“

In „Thanks For The Information“ zieht Van über alle Gangarten des modernen Lebens her. „Selbst ich habe schon große Schwierigkeiten, lange genug aus der Tretmühle des Musikgeschäfts herauszukommen, um noch das Gefühl rüberzubringen, das ich künstlerisch bei einer bestimmten Sache habe. Wir haben alle immer weniger Platz, immer weniger Raum zum Almen und immer weniger Zeit, über die Dinge nachzudenken. Weniger Zeit ßr Qualität. Im Lauf der letzten zehn Jahre hat sich das so entwickelt. Es gibt weniger Zeit, um sich zu konzentrieren, zu meditieren … dafür ist einfach weniger Platz.

Die Mode zwingt die Musiker dazu, auf bestimmte Arten zu spielen, und wenn ich eine Platte mache, wird’s manchmal schwierig ßr mich, die Musiker zum Ursprung zurückzubringen. Wenn man zu sehr damit beschäftigt ist, neuen Jobs hinterherzurennen, vergißt man nämlich leicht, wo die Musik eigentlich herkommt. „

Die Schlagzeuger bereiten Van am meisten Kopfzerbrechen. An brillanten Technikern herrscht kein Mangel, aber versuch mal. den Drummer zu finden, der sich technisch zurückhält, der dem Song zuhört und ihn atmen läßt. Wie willst du meditieren, wenn du nicht atmest?

Van Morrison hat nunmehr beschlossen, daß seine Musik schon immer mit Meditation zu tun hatte. Nein, nicht TM oder irgendwas mit Firmennamen. In Morrisons Discografie gibt es Songs — „Cypress Avenue“, „Into The Mystic“. „Summertime in England“ —, in denen die Musik auf dem Höhepunkt in eine merkwürdige Art von Improvisation umkippt, bei der die Zeit stillzustehen scheint. Jeder Morrison-Liebhaber weiß, wovon ich rede. Die Momente, in denen Van auf der Bühne besessen wirkt, in Trance. Momente, die viel zu oft von irgendeinem ungehobelten Hurensohn mit „Right 0n'“-Gebrüll ruiniert werden.

„Aber das“, gibt Van mit einem halben Lächeln zu, „ist zum Teil meine eigene Schuld. Ich habe 20 Jahre gebraucht, um einzusehen, daß die Leute, wenn ich ihnen meine Absichten nicht wenigstens ein bißchen erkläre -— was mir schwerfällt, weil ich nicht gern darüber rede -— auch weiterhin denken werden, daß meine Songs auch bloß Rock-Songs sind, und genauso darauf reagieren wie auf die von irgendwen sonst.

Darum will ich das jetzt ganz klar feststellen: Die Grundidee meiner Musik ist, sich in einen Zustand der Meditation zu versetzen. Wenn es das weiß, kann das Publikum unter diesem Gesichtspunkt zuhören, und vielleicht gibt es dann von jetzt an weniger Verwirrung.

Ich bin oft genug selbst zum Entgleisen gebracht worden. Wenn du ständig mit der Tatsache konfrontiert bist, daß du, um deine Existenz zu rechtfertigen, so-und-so-viele Einheiten verkaufen mußt… also, das macht mir immer noch enorm Kopfschmerzen. Ein ständiger Kampf, deinen eigenen Ideen treu zu bleiben. Mit der Logik DER MASCHINE läßt sich schwer diskutieren, nicht wahr? DIE MASCHINE interessiert sich bloß für VERKAUFTE EINHEITEN, und nicht dafür, wessen Einheiten.“