Noel Gallaghers limitierte Adidas-Kollektion: Andrang auf die Turnschuhe
Am Samstag wurden im Berliner Geschäft No74 ein Teil der limitierten Auflage von Noel Gallaghers Adidas-Schuhen "Training 72" verkauft. Übrig geblieben sind wohl keine mehr...
Am Samstag, den 22. Oktober, trug sich was zu in der Torstrasse: Menschen fanden sich vor dem Geschäft No74 zusammen, um halligalli wegen eines Gallagher-Adidas-Treters zu veranstalten. Genauer: wegen der limitierten Auflage des „Training 72“. Wir berichteten von dieser limitierten Schuhauflage von 200 Stück weltweit, die sich dadurch auszeichnet, dass dem Träger ein güldener Noel-Kopf auf der Schuhlasche ins Auge springt. Die Hälfte der Auflage wurde am Wochenende in Berlin verkauft – zum Preis von 100 Euro, also für ein bisschen mehr als der normale Gazelle- oder Samba-Sneaker (zirka 70 Euro).
Wer pünktlich um 12 Uhr zur Shop-Eröffnung angekommen war, traf auf eine überschaubare Masse von zirka 50 „Interessierten“. Man teilte nicht nur die Vorliebe für Noel Gallagher oder Adidas oder beides, sondern auch ein Gefühl, welches man meistens in zu groß geratenen Patchworkfamilien erlebt: Futterneid – eine der schlimmsten Gefühlsregungen des Menschen, mit der man so selten wie möglich konfrontiert werden möchte. Es gab also ein wenig Gedränge. Aber es nützte nichts – limitiert bedeutet „deluxe“, und da kann man schon mal zum einen neidisch und zum anderen ein Drängler werden.
Dieses triebgesteuerte Gefühl der Großstädter, welches sich auf ein Paar Schuhe übertrug, wollte man folgendermaßen in seine Schranken weisen: Es ging eine Liste herum, auf der man sich mit Namen und Schuhgröße eintragen sollte, die sicherlich nicht immer der eigenen entsprach – schließlich gab es auch die Gutmenschen, die ein Paar für jemand anderes mitbringen sollten. Wie lange man schon Noel verehrte, ob man eventuell ein schweres Schicksal mit sich rumschleppte oder nach dem geplatzten Meet & Greet dachte, nun quasi ein Recht auf die Schuhe zu haben, spielte dabei wirklich keine Rolle. Emotionsbattle wäre auch kein schöner Zug gewesen.
Man wurde aufgerufen, wenn man an der Reihe war. Und, ganz wichtig – es durften nur drei Leute auf einmal in den Laden. So pflegte man auch denjenigen fair gegenüber zu sein, die – ohne Witz – seit 10 Uhr vor der Tür standen und gefroren haben. Aber das No74 hat für Getränke gesorgt, für Bier und Wasser.
Es wäre sicherlich eine vage Behauptung, dass mindestens 50 Prozent der zukünftigen Besitzer nicht im Traum daran denken die Schuhe in ihrer Freizeit zu tragen. Aber solange die Behauptung vage ist, kann man sie ja mal so stehen lassen. Man konnte den meisten nicht an der Nasenspitze ansehen, dass sie Noel-Fans waren. Bevor aber gegen einen Artikel voller Vorurteile gewettert wird, stelle ich die Frage einfach mal in den Raum: Wie sieht denn so ein idealtypischer Noel-Fan aus?
Das Bild der kleinen Menschenmasse war so untypisch wie typisch. Es gab zum einen die im Winter gebräunten „Ick freu mir-jute Laune-Kerle“, die um die 45-und-aufwärts-Größen bangten, dann aber am Ende doch glücklicher Besitzer des Training 72-Paares waren. Man hätte fast denken können, das einige nur Noel hören, wenn der Ipod mal auf Shuffle gestellt ist. Dann gab es die, die nach stundenlangem Warten in der Kälte ihren Auftraggeber anriefen, um ihm schon mal zu sagen, dass ihm dieser Gefallen teuer zu stehen kommen wird – denn diese Schuhkäufer hätten sich sicherlich einen schöneren Samstag Vormittag vorstellen können. Es gab auch diejenige, die fast am bemitleidenswertesten war – eine Frau, die gar keine Anstalten machte, jemandem seine Größe wegzuschnappen, denn sie sagte mehrmals: „I don’t want shoes“ und sie wollte auch nichts umsonst. Sie wollte einfach nur in diesen Laden, aber der Eintritt wurde ihr verwehrt … Es durften anscheinend nur Leute das Geschäft betreten, die den Noel-Schuh kaufen wollten.
Dann gab es da noch die Adiletten-Freaks, die hauptsächlich Adidas-Fans waren und bei denen wohl alle Alarmglocken angingen, als zwei Schlagworte im Netz kursierten: „limitiert“ und „Adidas“. Ausserdem: diejenigen, die dieses Paar Schuhe tragen werden, wie man es im herkömmlichen Sinne vermutet, wenn sich jemand neue Schuhe kauft. Der eine beispielsweise erst im nächsten Sommer, denn im kommenden Winter ist noch Schonphase angesagt. Aber dieser sinnvollen Nutzung stehen noch zwei weitere Umgangsformen entgegen: Einige stellen sich die Schuhe in eine Vitrine, um sich jeden Tag aufs Neue über den goldenen Noel-Kopf auf der Lasche zu freuen und sich bei einer stetig wachsenden Weltbevölkerung ein stückweit limitiert zu fühlen.
Andere machen mit dem Paar Schuhe das, was am Verlockendsten erscheint: sie weiter verkaufen. Gegenüber kopfschüttelnden Kollegen kann man es zumindest augenzwinkernd mit dem Stichwort ‚Altersvorsorge’ rechtfertigen: Hoho, auf ebay.co.uk gehen die Schuhe bereits jetzt für tausend Pfund weg! Aber man ist ja kein Händler, man ist ja Fan. Und darum geht’s: The Importance Of Being Fan. Dass man sich darüber freuen kann, immer noch Kind genug für solcherlei Quatsch zu sein.
Ganz egal, wer es wie mit Noels heißen „Training 72“ hält. Auch in London steppte wegen dieses Schuhwerks der Bär, denn dort wurde die andere Hälfte der 200 Paare verkauft. Alle sind sie nun in Privateigentum übergegangen. Und Noel kann sich freuen, wenn er jemanden findet, der sie auch trägt.