Ohne ihren berühmten Bassisten wären Dogstar nur die Hälfte wert
Wenn Pop-Musiker sich als Schauspieler versuchen, geht das meist in die Hose. Umgekehrt sieht es nicht unbedingt anders aus. Selbst wenn die ein oder andere Platte eines singenden Schauspielers kommerziell erfolgreich war, wäre es vom qualitativen Standpunkt aus betrachtet oft besser gewesen, wenn die Schuster bei ihren Leisten geblieben wären. Beispiele hierfür gibt es viele. Don Johnson und David Hasselhoff sind zwei amerikanische, Grönemeyer und Ochsenknecht zwei deutsche. Nun hat sich auch Keanu Reeves unter die Rocker begeben. Einen entscheidenden Fehler seiner Kollegen aus dem In- und Ausland hat der in Beirut geborene kanadische Star jedoch vermieden: er singt nicht. Und das ist ja schon mal viel wert. Keanu lernte vor sechs Jahren Bass, angeblich „weil der nur vier Saiten hat“ und somit leichter zu lernen war. Dogstar, Keanu Reeves‘ Band, dürfte wohl die einzige Rockgruppe der Welt sein, in der der Bassist bekannter ist als der Sänger. Letzterer heißt übrigens Bret Domrose und spielt auch noch Gitarren, dritter im Bunde des Trios ist Drummer Robert Mailhouse.
Was treibt einen erfolgreichen Mann wie Keanu Reeves nun zur Musik? Purer Spaß an der Freude wäre eine plausible Erklärung und in der Tat schätzt Keanu am Tourleben vor allem, daß er „viel von Amerika zu sehen und eine Menge Freibier bekommt“. Daß genau diese Motivation auch ein Problem für die Band darstellen könnte —- schließlich hat Keanu noch eine andere Karriere und ist, im Gegensatz zu den beiden anderen Mitgliedern, nicht vom Erfolg der Band abhängig — bestreiten Dogstar jedoch. Was aber, wenn Bret und Robert mal in den Proberaum, auf Tournee, ins Studio wollen, Keanu aber anderweitig verpflichtet ist? „Zen —- emptiness“, antwortet Keanu Reeves auf solche Fragen meditativ, was übersetzt so viel heißen soll wie: „Das hat dich einen Scheißdreck zu interessieren“. Sänger Bret ist da schon etwas gesprächiger, aber auch seine Antwort klingt nicht wirklich überzeugend. „Bisher haben wir noch immer genügend Zeit gefunden, um uns zu treffen und wir freuen uns auf jeden Film, den Keanu macht“, erzählt der blonde Songschreiber der Band, „außerdem hilft es uns natürlich immens, daß Keanu mit dabei ist.“
Wovon man sich unschwer überzeugen kann. Mal abgesehen von der Frage, ob Dogstar, deren Alternative-Rock -— milde formuliert -— eher mittelmäßig ist, ohne Keanu überhaupt einen Plattenvertrag bekommen hätten. Dann säßen sie bestimmt nicht im ‚Hilton‘, um Interviews zu geben oder würden auf Welttournee gehen, ohne auch nur eine einzige Platte veröffentlicht zu haben. Das Ergebnis solcher Pia 1 nung ließ sich beim Berliner Dogstar-Gig im Juli sehen. Die männlichen Besucher waren an drei bis vier Händen abzuzählen, während Hundertschaften weiblicher Gäste vor Verzückung kreischten, als Keanu auf die Bühne kam. Doch selbst während des 60-minütigen Auftritts versuchte Keanu Reeves die Fassade aufrechtzuerhalten und tat, als sei dies ein Konzert einer ganz normalen Rockband und er ein x-beliebiger Bassist. So wurden ausgestreckte Arme der Armeen von Mädchen ignoriert und selbst den wiederholt aus den ersten Reihen geäußerten Forderungen „Auszieh’n!, Auszieh’n!“ kam lediglich Schlagzeuger Rob entgegen, indem er sich seines T-Shirts entledigte. Den Berliner Fans war das egal. Sie schrien selbst dann, als Keanu bei der Bassübergabe kumpelhaft einem Roadie in den Oberarm boxte und warteten auch zwei Stunden nach Ende des Konzerts noch am Hinterausgang auf den Schauspieler mit Dreitagebart, während dieser längst durch die Vordertür ins Hotel entschwunden war. Wie die Zukunft von Dogstar (die umgangssprachliche Bezeichnung für den hellsten Fixstern am Himmel) aussieht, steht in den Sternen, oder wie Keanu sagen würde: „Zen -— emptiness“.