Out In The Green
Draußen im Schlamm“ hätte es besser heißen sollen. Schließlich ließ sich ein Großteil des knapp 20.000 köpfigen Publikums auf der trotz Sonnenschein — sumpfigen Insel-Wiese am Ufer der Wörnitz nieder, um sich bei hochsommerlichen Temperaturen vom betagten Siebener-Paket unterhalten zu lassen. Daß Emerson, Lake & Palmer kurzfristig abgesagt hatten — die Veranstalter verteilten Flugblätter mit einer Kopie des Arzt-Attestes, daß Emerson wegen einer Handverletzung (Motorradunfall) nicht spielen könne — schien die wenigsten zu jucken: Ganze vier Karten sollen laut Veranstalter deswegen an der Kasse zurückgegeben worden sein.
Ein Veteranen-Treffen war’s trotzdem. Backstage gab es immer wieder lautstarke Hallos, wenn sich die Kollegen begrüßten. Daß die alten Hasen ihr Handwerk beherrschen und genau wissen, wie man ein Freiluftpublikum hochputschen kann — sie bewiesen es fast ausnahmslos. Ohne Lightshow und andere Hilfsmittel, allein auf die Musik und Bühnen-Präsenz angewiesen. machte sich die jahrelange Tour-Routine positiv bemerkbar.
Schon die Whitesnake-Schüler MGM (Marsden/Galley/Murray) mit ihrem typisch britischen Heavy-R&B sowie Blue Öysler Cult mit altbekanntem Dampfhammer-Rock gaben gleich mächtig Gas. Dagegen wirkte ein eigensinniger und selbstgefälliger Nils Lofgren mit Dreier-Minibesetzung (zwei Gitarren plus Keyboards plus Drum-Computer) fast schon deplaziert. Nach einer halben Stunde endloser Saiten-Ergüsse waren jedenfalls die ersten Pfiffe nicht zu überhören.
Daß sie nicht im Nostalgie-Schweleen steckengeblieben sind, bewiesen auch Kansas, die durch Steve Morse nochmals an Format gewonnen haben, und die für ELP eingesprungenen Bad Company. Die ließen ihre eher
schwachbrüstigen Auftritte als Opener für Deep Purple im Frühjahr vergessen, mixten ein energisches Potpourri aus alten und neuen Nummern — mit einem Frontmann, der inzwischen aus dem übermächtigen Schatten seines Vorgängers Paul Rodgers herausgetreten ist: Brian Howe hat eindeutig an Statur gewonnen.
Ebenfalls unübersehbarer Blickfang bei Kansas ein Stehaufmännchen als Sanger, der wahrend der ein.stündigen Show mehrere Mikro-Stative verschliß und sich als charismatisches Schauspieltalent in die Herzen des Publikums sang: Steve Walsh. Daneben entspannt-locker seine musikalische Begleitmannschaft mit perfekten Chor-Gesängen, differenziert und doch stets dynamisch rockend.
Über Status Quo noch viele Worte verlieren zu wollen, wäre Platzverschwendung. Sie waren unbestritten die Gewinner beim Dinkel.sbühler Veteranen-Wettbewerb. Seit Francis Rossi und Kollege Parfitt — der inzwischen nur noch Rhythmus schrubbt und die Solo-Arbeit zu 90% Rossi überläßt — wieder Bühnenlust und Spaß am shuffknden Boogie gefunden haben, dazu mit Bassist Rhino Edwards einen vorwärtsstrebenden Terrier neben sich haben, stimmt auch die Ausstrahlung aufs Publikum wieder, macht es erneut Spaß, sich in den unwiderstehlichen Groove der Altherren-Combo fallen zu lassen.
Dieser Dampf fehlte bei den Kollegen aus der Soft-Pop-Ecke weitestgehend: Da mag die Lichtausstaffierung noch so beeindruckend sein — im bombastischen, aber blutleeren Barclay James Harvest-Sound fehlte die Spritzigkeit von Quo. Ein beschaulicher Ausklang war’s ja durchaus, aber nach dem Hochspannungsauftritt von Quo war bei BJH — trotz Feuerzeuglichtermeer — der Dampf heraus.
Dennoch — die musikalische Zusammenstellung paßte, die Fans genossen’s und das Festival zu Dinkelsbühl hat sich seinen Ruf als empfehlenswerte Veranstaltung inzwischen zu Recht gesichert.