Papa bleibt beim Pop


Normalerweise singt Frank Spilker bei einer der Top-Kapellen im Land. Aber das genügt ihm nicht mehr. Er will noch mehr Musik machen. Selbstbestimmt und von zu Hause aus.

Lieber gleich noch mal hinschreiben: Dass Frank Spilker eine Soloplatte gemacht hat, bedeutet nicht, dass es mit seiner Hausband vorbei ist. Im Gegenteil: Die Sterne planen zurzeit den Nachfolger zu Räuber und gedärm (2006). Doch inzwischen musste Frank Spilker endlich mal eigene Wege gehen. Ungewöhnlich ist das nicht, denn bisher war er der Einzige in der Band, der ohne Nebenprojekt auskam. Schlagzeuger Christoph Leich trommelt bei Los Angeles Love und gründete das Label Materie Records, Bassist Thomas Wenzel spielt bei den Goldenen Zitronen und bei der Alternative Country-Kapelle Cow, und Richard von der Schulenburg ist ja schon immer mit seiner Orgel unterwegs gewesen, nun auch mit der Jazzpopkombo 44oHzTrio.

Weil sich Die Sterne als Kollektiv gleichberechtigter Mitglieder verstehen und damit ihre Songs gewissermaßen basisdemokratisch entstehen, schuf sich der hünenhafte Gitarrist und Sänger mit der Frank Spilker.Gruppe ein Feld, auf dem er Musik nach Lust und Laune schreiben und arrangieren konnte. Zur Band wurde die FS.G erst, als Frank mit Matthias „Tex“ Strzoda (Schlagzeug, u. a. Rocko Schamoni, JaKönigJa) und Max Knoth (Bass/Bazooka Cain) ins Studio ging – allerdings mit klarer Aufgabenteilung: „Wenn man so gerne rhythmisches Songwriting macht wie ich, dann muss der Schlagzeuger da mitmachen, sonst funktioniert es nicht“, sagt Frank.

Wir Sitzen im Wohnzimmer der Spilkers in einem Altbau auf St. Pauli. Angenehm weit weg von stressigen Interviewtagen in anonymen Hotelzimmern. „Willst du schon loslegen? Der Kaffee ist nämlich fast fertig“, sagt Frank und holt Tassen. „Ich hab mir eben extra noch mal die Platte angehört, um mein Gedächtnis aufzufrischen. Ich habe das Zeug so viel hören müssen, dass ich irgendwann keinen Bock mehr darauf hatte…“

mit all den Leuten heißt diese Platte, und sie besticht durch unerhörte Vielfalt: Leichtigkeitspop wechselt sich ab mit noisy Gitarren-/Tongewittern, Beats treffen auf Songs nahe am Elektroclash, über die jemand treffend sagte, sie klängen wie ein aufgeplatztes Düsseldorfer Technosofa. Nach dem zweiten, dritten Hören darf feierlich festgestellt werden, dass nur wenige Musiker in letzter Zeit ein so erfrischendes, abwechslungsreiches und vor allem auch textlich so gutes Album gemacht haben.

Obwohl diese Texte nicht von bestimmten Erlebnissen handeln, findet sich der Hörer ständig in ihnen wieder. „Stimmt, ich neige nicht dazu, Alltagsgeschichten zu erzählen. Aber die Gedanken kommen schon aus dem Gelebten, nur stark abstrahiert, hin zu so einer Zusammenfassung wie bei ,lch geh gebückt‘. Das hätte auch ein zweites ‚Universal Tellerwäscher‘ werden können, das ist so eine ‚Erst kommt das Fressen und dann die Moral‘-Geschichte, die man immer wieder mit neuem Aufhänger erzählen kann.“

Zwei der Songs, „Me Only“ und „Ex-Lover’s Paintings“, haben englische Texte und werden mit stark hörbarem deutschen Akzent vorgetragen. Absicht, sagt Frank. Letzterer erinnert sehr an The Whitest Boy Alive und war tatsächlich für eine Zusammenarbeit mit Erlend 0ye geplant. Seit einer gemeinsamen Tour durch Österreich 2004 sind die beiden befreundet. „Wir wollen schon lang etwas zusammen machen, aber das klappt nicht, wenn der eine Typ zwei erfolgreiche Bands hat und in Sao Paolo rumhängt. Ich kann hier nicht so leicht weg mit Familie…“ Es klopft an der Wohnzimmertür: Franks Tochter bringt das Telefon, der Sohn ist dran, er will später heim kommen. Frank sagt: alles okay, die Tochter geht wieder, Frank lächelt.

Älter werden, Familie haben und trotzdem voll und ganz Popmusiker bleiben – schließt sich das nun aus oder nicht? „Nun, ich habe einfach nicht mehr so viel Zeit. Ich kann nicht mehr Abende mit der Szene im ,Pudel‘ rumhängen und musikalische Fragen diskutieren. Die Solosache ist deshalb auch ein konsequenter Schritt, weil: Weniger Zeit für die Szene zu haben bedeutet, viel mehr selber machen zu müssen.“ >»www.frankspilker.de —