Paradise Lost


Sie beschwören in ihren Songs mit großen Worten das Ende der Welt. Privat neigen die vier Briten zur Bescheidenheit. Leider auch auf intellektueller Ebene

Wenn all das eintreffen sollte, was Paradise Lost auf ihrem aktuellen Album ‚Draconian Times‘ zu doomigen Heavy-Klängen heraufbeschwören, dann schlägt der Menschheit schon bald die letzte Stunde. Sänger Nick Holmes und Rhythmus-Gitarrist Aaron Aedy jedenfalls zeichnen das düstere Bild einer Welt voller Verrückter und Katastrophen. „Überall wird alles schlimmer. Die Leute haben Probleme, ihre Jobs und Wohnungen zu halten und ihre Kinder zu ernähren“, erklärt Holmes. „Sie können sich nicht mehr versorgen und killen sich schließlich gegenseitig. Deshalb ist unsere Musik auf der ‚down side‘ der Gefühle. Trotzdem sagen wir: Das Leben ist nicht grundsätzlich beschissen, man muß nur durchhalten können.“ Ein Patentrezept dafür, wie die apostrophierten drakonischen Zeiten am besten zu bewältigen sind, haben Paradise Lost natürlich nicht anzubieten, wahrscheinlich wollen sie das auch gar nicht. Statt dessen setzen sie im Song ‚Forever Failure‘ noch einen drauf. Darin verarbeitet die Band ein Zitat des Massenmörders Charles Manson. „Ich hab‘ Manson mal im Fernsehen gesehen und da ist mir ein Schauer über den Rücken gelaufen, weil der so einen ungeheuren Einfluß auf die Leute hat. Ich habe mich gefragt, was ist an dem abgedrehten Typen eigentlich dran? Es geht in dem Song auch nicht ausschließlich um Charlie Manson, sondern um alle Wahnsinnigen. Menschliches Verhalten interessiert mich eben sehr und das fließt dann natürlich auch in meine Texte ein.“

Nicht nur die Abgründe der menschliche Seele faszinieren den Sänger von Paradise Lost, auch Katastrophen wie der tragische Untergang der Estonia-Fähre haben es ihm angetan. „Da starben Hunderte von Menschen im eiskalten Wasser einen qualvollen Tod. Das hat mich schwer beschäftigt. Ich habe mir vorgestellt, wie ich mich wohl dabei gefühlt hätte. Bei so was wird einem erst klar, wie klein und hinfällig wir menschliche Kreaturen doch alle sind.“ Wie wahr. Oder auch nicht. Es läßt sich nun mal gar trefflich über Krisen, Katastrophen und Endzeitstimmung lamentieren, wenn der Mitfühlende selbst nicht davon betroffen ist und statt dessen aus sicherer Entfernung im voll klimatisierten Zimer Anteilnahme simuliert. Denn: Die kleine Welt von Paradise Lost ist noch ganz im Lot. Nick Holmes und Aaron Aedy wirken gar nicht wie die Vorboten der Apokalypse, sondern eher wie stinknormale, eher bescheidene Briten. „Unsere Platten laufen sehr gut, wir haben einen tollen Manager, der sich für uns aufopfert, eine eingeschworene Crew, Gitarrist Greg und Bassist Steve haben Familie mit Kind und wir anderen haben Freundinnen.“

Wahrhaft paradiesische Zustände also im verlorenen Paradies? Nein, nicht ganz. Hie und da spielt auch ihnen das Schicksal einen Streich: „Ich habe kürzlich das neue Video von Terence Trent d’Arby im TV gesehen“, erzählt Nick Holmes, „das war ein einziges scheußliches Erlebnis, kann ich nur sagen.“ Armer Nick.