Party-Raves und #BlackLivesMatter: Jetzt nicht ablenken lassen!
Der Ärger über Berliner Party-Protestler droht, von der Solidarität mit George Floyd abzulenken – und es wird wieder passieren. Das eigentliche Anliegen muss nun umso lauter vorgetragen werden. Ein Kommentar.
Man hatte sich kurz kneifen wollen, als am Sonntag erste Bilder von einer Berliner Clubkultur-Demo auf Twitter viral gingen. Eigentlich sollte es um finanzielle Hilfen für Künster*innen und den Kulturbetrieb gehen. Stattdessen versammelten sich tausende Menschen an und auf dem Landwehrkanal, spielten laut Techno-Musik auf Schlauchbooten und feierten in ausgelassener Festivalstimmung, dabei von Mundschutz und Mindestabstand keine Spur. Und in all dem Getümmel hing auch noch ein Plakat mit der Aufschrift „I can’t breath“ (sic), wohl gemeint als Solidarisierung mit dem durch einen brutalen Polizeieinsatz zu Tode gekommenen Afroamerikaner George Floyd, dessen letzte Worte „I can’t breathe“ um die Welt gingen.
https://twitter.com/ErsanMondtag/status/1267377111293100032
Angesichts der Proteste in Minneapolis, bei denen sich zurzeit Menschen unter Einsatz ihrer körperlichen Gesundheit gegen Polizeigewalt und Rassismus stark machen, wirkt dieses Plakat inmitten des als politische Aktion getarnten Party-Raves wie blanker Hohn. Auch, weil nur wenige Meter entfernt tatsächlich 1500 Teilnehmer*innen unter dem Motto „#BlackLivesMatter“ in einem Protestzug durch Berlin auf die Straße gingen.
Es wäre falsch, nun einer ganzen Stadt vorzuwerfen, sie würde sich in blindem Hedonismus ausschließlich für ihre Clubkultur einsetzen – auch, wenn dieser Eindruck im Netz momentan schnell entstehen kann. Es ist eben einfacher, mit dem Finger auf andere zu zeigen, als selbst ein Zeichen zu setzen. Zu schnell rücken die vielen Menschen, die sich auf Demonstrationen wie jener am Sonntag solidarisch zeigen, dadurch in den Hintergrund.
Fest steht: Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sich das Spotlight durch unüberlegte, aber auch provozierte Aktionen von – pardon – Knallköpfen auf Nebenschauplätze verlagert.
In den USA schmücken sich Einzelne vor Protesten gegen Polizeigewalt so, als wären sie auf dem Weg zum Coachella-Festival. Eine deutsche Influencerin verkannte die starke Solidarität in den sozialen Netzwerken in einer mittlerweile gelöschten Instagram-Story als Internet-Hype. Fragwürdige politische Akteure versuchen, die Bewegung mit Hashtags wie „#alllivesmatter“ zu relativieren und zu kapern.
Dass große Bewegungen wie zurzeit das „#BlackLivesMatter“-Movement solche Skandale zwangsläufig mit sich bringen, ist leider normal. Es ist gut, sich darüber zu empören – solange man für das eigentliche Anliegen umso lauter einsteht.