Patricia Kaas


MADEMOISELLE CHANTE hieß ihr erstes Album, und dieser Titel könnte auch als Motto ihrer Konzerte durchgehen: Fräulein Patricia singt. Und wie sie singt! Ihre Stimme hat Klasse und Rasse und tröstet auch über Durststrecken im Repertoire hinweg. Denn nicht alles ist da Gold, was Patricia Kaas präsentiert und was dann dank ihrer Stimmbänder doch noch angenehm verführerisch glänzt. In der ersten halben Stunde legt sie den Akzent auf die französische Chanson-Tradition, und mit der glatten, kantenlosen Begleitung ihrer Band erinnert das bisweilen doch ein wenig an allzu gefällige Schlagerkost — schöne Grüße von Mireille Mathieu. Auch der Mann am Mixer läßt sich Zeit, um aus amorph brodelndem Brei so peu ä peu doch noch ein klar strukturiertes Souffle zu zaubern.

Doch allmählich kriegt Patrica Kaas die Kurve, und es wird klar, daß sie ihr sehr heterogenes Publikum auf eine abwechslungsreiche musikalische Sightseeing-Tour mitnehmen will, ohne die Traditionalisten-Fraktion gleich von Anfang an zu verprellen. So kommt zunächst das kulturelle Erbe zu seinem Recht, bevor Patricia ihre Anhänger mit härteren Rocknummern amerikanischer Gangart um den Finger wickelt. Richtig gut wird’s aber erst, wenn die zierliche blonde Sängerin, die in Saarbrücken geboren wurde und in Lothringen aufwuchs, auf Swing umschaltet und die durchweg starken Chansons ihres zweiten Albums SCENE DE VIE serviert. Songs wie „La Nuit de Jazz“ oder „Les Hommes Qui Passen!“ überzeugen auch live jeden Skeptiker und machen Hoffnung, daß es Mademoiselle Kaas tatsächlich auf Dauer ge-Patricia zeigt Grazie und Charme: Die Mademoiselle kann’s.

lingen konnte, französische Chanson-Tradition mit modernem Jazz- und Rock-Feeling zu verschweißen. Die Stimmung stimmt sowieso, wenn sie ihrer Band mal Gelegenheit zu einem heißen Saxophon-Solo, mal zu einem fiebrigen Duell zwischen Baß und Gitarre gibt. Der Saal echauffiert sich vor Begeisterung, und der Mixer hat inzwischen auch die richtige Balance gefunden.

Und zum Schluß gibt’s kein Halten mehr: Patricia knöpft sich Randy Newmans Klassiker „You Can Leave Your Hat On“ vor, und der scheint ihr wie auf den schlanken, ranken Leib geschrieben. Die Fans stürmen fast die Bühne, und der ME/Sounds-Beobachter staunt: Gut 6.000 Besucher in der Brüsseler Halle sind wahrlich kein Pappenstiel für eine relativ neue Sängerin mit gerade mal zwei Platten, die zum ersten Mal auf große Tournee geht. Und auf den Rängen sind sich kreischende Teenager, coole Rocker und gutsituierte Bürger jenseits der 40 in ihrem Enthusiasmus einig: Diese Mademoiselle kann’s. Spätestens im Januar werden wir uns davon auch in deutschen Varietes und Hallen überzeugen können.