Pearl Jam


Es sollte das größte Konzert in der Geschichte von Pearl Jam werden. Die 50.000 Tickets für den Auftritt der Grunge-Veteranen im Golden Gate Park in San Francisco waren in Windeseile ausverkauft. Dennoch hofften Hunderte von Fans in der kalifornischen Vormittagssonne darauf, vielleicht doch noch eine Karte für das Open-air zu ergattern — im ungünstigsten Fall zum Schwarzmarktpreis von 100 Dollar. Es sollte das größte Konzert in der Geschichte von Pearl Jam werden, es wurde das kürzeste Konzert in der Geschichte von Pearl Jam. Die Band hatte mit ihrem Gig — nach sieben Songs und 30 Minuten — gerade mal die Länge des legendären letzten Beatles-Auftritts im nahen Candlestick Park erreicht, als Frontmann Vedder die Show plötzlich stoppte. „Ich kann nicht mehr. Ich habe Probleme mit dem Magen. Die vergangenen 24 Stunden waren die schlimmsten meines Lebens. Ich mußte den Notarzt kommen lassen. Ein Glück, daß Neil Young hier ist, er wird jetzt weitermachen“, sprach’s und verschwand von der Bühne. Zwar hatten die Gerüchteköche bereits Tage vor dem Konzert verbreitet, daß Neil Young an diesem Nachmittag zusammen mit Pearl Jam ein paar Songs spielen würde, aber der Großteil der Kids war ausschließlich wegen Pearl Jam gekommen. Unter der Menge machte sich Ungewißheit breit, die sich erst in Luft auflöste, als der „Godfather Of Grunge“ nach 20 Minuten mit dem Rest von Pearl Jam — Stone Gossard, Mike McCready, Jeff Ament und dem neuen Schlagzeuger Jack Irons — auf der Bühne erschien. Neil Young schien sich der Gefahr bewußt zu sein, daß der Gig wegen Eddies Abgang außer Rand und Band geraten könnte, als er seinen Set mit Tm The Ocean vom neuen Album ‚Mirror Ball‘ begann. Young traktierte seine Gitarre mit furiosen Verrenkungen zu kreischenden Feedbacks. Pearl Jam ohne Eddie Vedder hatten keine Mühe, Meister Young in den folgenden 90 Minuten auf seiner musikalischen Reise durch die vergangenen 25 Jahre zu begleiten: ‚Rockin‘ In The Free World‘, ‚Cortez The Killer‘ oder das fast 2ominütige ‚Down By The River‘ kamen mit einer unglaublichen Intensität, daß selbst grunge-erprobten Kids die Kinnlade herunterfiel. Pearl Jam als „Backing Band“ rockten energiegeladen wie eine in den Jungbrunnen gefallene Ausgabe von Youngs lärmenden Langzeitgefährten Crazy Horse. Und am Ende waren (fast) alle zufrieden: Aus 50.000 Grunge-Kids wurden die Fans eines fast fünfzigjährigen Feedback-Freaks.