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Pfui Teufel: Plädoyer für einen selbstbestimmten Stadtduft


Weichspüler, feuchte Ziegelsteine, Pferdeäpfel: An dem Geruch einer Stadt erkennt man ihren Entwicklungsstand. Und weil der Mensch auch mit der Nase denkt, bestimmen heute immer mehr Unternehmen, wie eine Straße riecht.

Wenn sich am Flughafen von Bangkok die Glastüren aufschieben und man auf eine Reihe grüner und pinker Taxis blickt, hat man für wenige Sekunden das Gefühl, zu ersticken, weil sich die dicke, warme Luft in Nase und Mund schiebt. Man verspürt den Drang, sie zu zerkauen, um zu überleben. Einen kurzen Augenblick später erkennt das Gehirn, was die Luft transportiert. Duftmoleküle. Es riecht, als würden in der Stadt Tausende Feuer brennen, auf denen Beeren in Sojasoße erhitzt werden. Wenn in Bremen der Wind richtig steht, riecht es nach Bier, wenn er andersrum bläst, riecht es nach Kaffee. Und den besten Stadtgeruch gibt es in Berlin, bei Minus 2 Grad, wenn man den Schnee aus der Entfernung schon riecht. Bauschuttstaub, Chlorwasser im Brunnen, Nussrösterei. So riecht die deutsche Stadt von heute.

Am Geruch einer Stadt lässt sich ihre Entwicklung, ihr Zustand erkennen. Mit jeder Veränderung verändert sich auch der Geruch der Stadt. Als damit begonnen wurde, die Straßen zu pflastern oder als Wien 1739 die erste europäische gesamtstädtische Kanalisation in Betrieb nahm, verschwanden extreme Gerüche. Stadtmauern wurden abgerissen, um mehr Durchzug zu ermöglichen, Fabrikschlote wurden höher gebaut, Müll wurde außerhalb der Stadt gelagert. Und so geht es immer weiter. Kohleöfen werden wegsaniert, das produzierende Gewerbe wird von Flagshipstores aus den Innenstädten gedrängt und Car-Sharing verringert den Verkehr. Immer seltener führen wir die Hand zur Nase, um einen Geruch am Eindringen zu hindern. Das bedeutet aber auch, dass wir genauer hinriechen, die Nase öffnen für neue olfaktorische Eindrücke.

In der Stadt Essen wurden jetzt in Wohngebieten Exemplare des Goethe-Baums gefällt - weil sie stinken. Der Ginkgo blüht zum ersten Mal nach 20 Jahren und entwickelt dann einen penetranten Geruch nach Erbrochenem.
In der Stadt Essen wurden jetzt in Wohngebieten Exemplare des Goethe-Baums gefällt – weil sie stinken. Der Ginkgo blüht zum ersten Mal nach 20 Jahren und entwickelt dann einen penetranten Geruch nach Erbrochenem.

Der Duftforscher Professor Hanns Hatt kennt den besonderen Einfluss von Gerüchen auf Menschen. „Wir glauben, dass das Befinden wesentlich mit dem Geruch zusammenhängt. Ohne dass man es bemerkt, trägt die Dufterinnerung zu Entscheidungen bei. Etwa beim Einkauf.“ Der Geruch bestimmt nicht nur mit, ob wir uns in einen Menschen verlieben, er hat auch Auswirkungen darauf, ob wir uns in einer Straße zu Hause fühlen, oder ob wir ein Gebäude betreten. Gerüche können gar Auslöser von Angst sein. Autoabgase riechen für den einen aufregend, für den anderen lebensbedrohlich. Dass der Geruch genauso wichtig ist für das Wohlbefinden wie das Aussehen ihrer Häuser, hat der Diplom-Ingenieur und Doktor der Soziologie Joachim Brech, der sich vor allem mit größeren Entwicklungsprojekten und der Modularisierung beim Bauen beschäftigt, schon länger erkannt. Er weiß: Jede Stadt hat ihren individuellen Sound und genauso hat jede Stadt ihren eigenen Geruch. „Die Stadtplanung befasst sich aber nur indirekt damit, nämlich mit dem Luftaustausch, den es aus klimatischen und gesundheitlichen Gründen in der Stadt geben muss. Städte ohne Luftaustausch sind an manchen Tagen unerträglich, Paris im Sommer etwa oder im Ballungsraum Rhein-Main, denn dort gibt es Wetterlagen, bei denen die Städte fürchterlich stinken.“


Die Globalisierung des Dufts

Dass man auf den Duft einer Stadt auch Einfluss nehmen kann und muss, als eine Art emanzipatorischer Beitrag, erkennen bisher nur wenige. Dabei würde es nicht überraschen, wenn nach dem Trend der Aufwertung des urbanen Lebens, der mit einem generellen Bedarfs- und Problemmangel der Mittelschicht zusammenhängt, durch lokal produziertes Gemüse, Manufakturen und ökologisches Bauen, nun auch Stadtklimaverbesserung durch Bukettbeteiligung zum neuesten Schrei würde. Das Stadtmarketing sollte es allemal interessieren, lässt sich doch auch durch Geruch ein emotional erfahrbares Image kreieren.

„Wie herrlich eine Stadt duften kann, habe ich bei einem Besuch in Sevilla gemerkt, wo die Orange der Stadtbaum ist. Aber wo wird die Rose duft-strukturell eingeplant? Oder Büsche wie Jasmin, die in den Abendstunden duften?“, fragt Joachim Brech. Urban Gardening auf Freiflächen und den Dächern von Stadthäusern ist zwar ein größer werdendes Phänomen, doch die Planung und Umsetzung von städtischen Gärten ist teuer. „Heute ist es schon schwer, überhaupt Flächen für Parks ausweisen zu können und die Pflege darf dann nichts kosten. Eine Wende sehe ich da nicht.“ Brech wünscht sich deswegen: „Gärten in die Stadt! Massenhaft! In jedweder Form, horizontale, vertikale, minimale Parks! – aber nicht die heute üblichen Designparks, sondern Duftsektionen, man sollte die Pflanzen nach ihrem Duft auswählen.“ Bei der Vorstellung geht einem die Nase auf. Und so trifft es sich ganz gut, dass die Planung von vertikalen Gärten, wenn auch meist aus ästhetischen Gründen, schon länger ein architektonischer Trend ist.