Phänomen Soundgarden


Selbst eine Nullnummer am Mischpult kann den Ruf der vier Grunge Pioniere nicht ruinieren

Wer den Post-Punk von Pennywise überstanden hatte, erlebte mit Kyuss ein infernalisch-psychedelisches Gitarrengewitter – und meistens leider schon den Höhepunkt des Abends. Denn irgendwie schien bei dieser Mini-Tour der Bock zum Klanggärtner gemacht worden zu sein, bei Soundgarden lief wenig zusammen: Den Mixer, der die etwa 50minütigen Gigs zu einem grausam undifferenzierten, freudlosen Spektakel degradierte, konnten sie eigentlich nur in irgendeinem Gehörlosenzentrum angeheuert haben. Bassmann Ben Sheperd wurde von Konzert zu Konzert unberechenbarer und man war froh, daß er im Münchener Terminal 1 Chris Cornells Gitarre auf den Bühnenbrettern und nicht auf den Schädeln seiner Mitspieler zu zertrümmern versuchte.

Zu allem Überfluß war Chris Cornell nach den massiven Stimmbandproblemen, die seine Band im letzten Sommer daran gehindert hatten, das superheiße Eisen ‚Superunknown‘ live zu schmieden, noch nicht einmal ein Schatten seiner selbst. Höchstschwierigkeiten in Stücken wie ‚Superunknown‘ oder ‚Spoonman‘ trugen ihm einst den Ruf ein, der vielleicht beste Rocksänger der Gegenwart zu sein – wer ihn bei dieser Tour erlebt hat, sieht ihn wohl weniger auf dem zugigen Rock-Olymp, sondern eher auf Kur beim Kamillentee in Bad Gastein.

Trotz Soundkatastrophe, bandinternen Unstimmigkeiten und indisponiertem Sänger war vom Phänomen Soundgarden aber noch genug zu erkennen. Allein das exzellente Songmaterial der „Platte des Jahres 1994“ war tragfähig genug, um den Fünferpack aus dem Vorprogramm locker auf die Plätze zu verweisen. Schon nach wenigen Minuten des ersten Soundgarden-Gigs in Offenbach gab es diesen schweren hypnotischen Groove, für den vor allem Drummer Matt Cameron sorgte, andererseits Kim Thayils Gitarrenriffs, bei denen Black Sabbaths Tony Iommi sicher die Bestnote gezückt hätte.

Anfangs schien auch noch jede Rückkopplung an ihrem Platz, war Soundgarden das präzise Metal-Uhrwerk, das man von frühen Club-Tourneen her kannte. Dann kamen bei ‚Let Me Drown‘ die ersten Zweifel auf, ob Cornell sich seinen stimmbandtechnischen Persilschein nicht vielleicht bei einem Rinderdoktor ergattert hat. Zweifel, die sich schon mit dem dritten Stück ‚Spoonman‘ erhärteten, als Thayil, Sheperd und Cameron grandios durchstarteten, um mehr oder weniger entsetzt die Kapitulation ihres Sängers mitzuerleben. Cornell versteckte sich so gut es ging hinter dem Mikrophonständer. Diese demonstrative Lustlosigkeit verbreitete sich dann metastasenartig auf der Bühne und schließlich auch im Zuschauerraum – bis es bei Cornells Totalabsturz ‚Superunknown‘ richtig traurig wurde.

Anschließend verließen die Vier ihr Jammertal im Sprinttempo – nach stolzen 45 Minuten. Das Publikum reagierte zur Hälfte angesäuert, der Rest schien fast erleichtert. Doch eine schnell angeschlossene Zugabe brachte (fast) alles wieder ins Lot: ‚Rusty Cage‘ und eine großartige, schwermetallige Version des Doors-Songs ‚Waiting For The Sun‘.