Phil Collins – als Posträuber ins Kino
Als Genesis-Frontmann, Solo-Künstler und Produzent ist er für viele schon der Größte. Doch der kleine Engländer will noch höher hinaus. In David Greens Kino-Streifen "Buster" spielt er seine erste Hauptrolle. ME/Sounds-Mitarbeiter Marc Hertling besuchte Phil in Los Angeles.
Nun also auch du, Phil! Was in aller Welt reizt eigentlich einen erfolgreichen Musiker daran, sich auch als Filmschauspieler zu versuchen?
„Ich habe mich nicht einfach hingesetzt und gesagt: ,Ich will jetzt einen Film drehen‘. Man hat mir das Drehbuch angeboten, und es war so gut, daß ich mir gedacht habe: ‚Diese Rolle kann ich spielen‘.
Als Kind bin ich schon im Fernsehen aufgetreten, habe im Theater gespielt und hatte auch kleine Rollen in Filmen. Ich habe damit aufgehört, weil ich Drums in einer Band spielen wollte; die Schauspielerei interessierte mich nicht mehr.
Dann kam ein Angebot von ‚Miami Vice‘. Sie hatten eine ziemlich große Rolle für mich geschrieben. Ich sagte zu meinem Manager: ‚Weißt du, das hat mir Spaß gemacht. Sieh mal zu, ob dir nicht ein paar gute Drehbücher in die Hände kommen.‘ Die Bücher, die er für gut befand, gab er mir zu lesen. ‚Buster‘ war das einzige Drehbuch, das ich von Anfang bis Ende gelesen habe. Ich mochte den Part, konnte mich in dieser Rolle sehen. Als dann feststand, daß Julie Walters die weibliche Hauptrolle spielen würde, stand mein Entschluß fest. Ich traf mich mit dem Regisseur David Green und wir besiegelten den Vertrag. Das war vor zwei Jahren.“
Es handelt sich doch um die Geschichte des englischen Posträubers Buster Edwards.
„Eine wahre Geschichte, aber hauptsächlich geht es um Buster und seine Frau June – nicht um den Postraub. Es ist eine Love-Story – Buster, June, deren Beziehung. Wir zeigen natürlich auch den Postraub, denn der war ein Teil seines Lebens.
Nach dem Überfall begann die Beziehung zwischen Buster und June zu bröckeln. Sie flüchteten nach Mexiko, June hielt es dort nicht aus. Gemeinsam gingen sie nach England zurück. Buster stellte sich freiwillig der Polizei – aus Liebe zu June, denn er wußte, daß in England nur die Verhaftung auf ihn warten würde. Eben ein Love-Story.“
Manchen wird es vielleicht schwer fallen, Phil Collins als ernsthaften Schauspieler zu akzeptieren…
„Klar, wir kennen ja dieses Stigma ‚Ah, schon wieder ein Rock-Star, der sich als Schauspieler versucht.‘ Es ist sicherlich eine gefährliche Heirat, aber ich will mich nicht so verhalten, wie man es von mir erwartet.“
Du schreibst auch die Musik zum Film?
„Ja. Schau, wir haben sieben Wochen lang in England gedreht, dann zwei Wochen in Acapulco. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht wirklich etwas mit der Musik zu tun. Ich hatte lediglich bei verschiedenen Leuten angefragt, ob sie nicht Lust hätten, ein paar Songs für den Film zu schreiben – unter anderem Lamont Dozier von ‚Holland, Dozier, Holland‘, der in den 60er Jahren ja die meisten der Motown-Songs geschrieben hat. Lamont ist ein guter Freund, und da unser Film die Jahre ’62 bis ’65 umfaßt, wollten wir Songs von damals im Film haben.
Lamont begann zu schreiben. Er kam nach Acapulco, und ich hoffte insgeheim, daß er in seinem Koffer Sachen im Stil von Martha & The Vandellas, Supremes und Four Tops haben würde. Bingo! Es mußten nur noch ein paar Texte geschrieben werden – ich bot mich an.“
Du bist nach wie vor einer der eifrigsten Musiker. Soloprojekte, Genesis, Produktion, Schauspieler…
„Die Dinge halten mich auch ganz schön auf Trab. Mit Genesis habe ich vor einiger Zeit die Welttournee beendet, und in ein paar Jahren werden wir sicherlich ein neues Album einspielen. Eine Tournee in diesem Ausmaß werden wir nicht mehr machen. Vielleicht eine Woche Amerika, eine Woche England, eine Woche Europa.
Als Produzent werde ich auch ein wenig zurückstecken müssen, so daß mir letztendlich nur meine Solokarriere bleibt. Genesis – irgendwo dazwischen…“
Arbeilest du an einer neuen Solo-LP?
„Seit Weihnachten ’87. Sie wird Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres auf den Markt kommen.“
Glaubst du, du könntest den Punkt erreichen, an dem dir die Schauspielerei mehr Freude als die Musik bereitet?
„Ich glaube nicht. Vieles hängt auch davon ab, wie dieser Film dem Publikum gefällt. Wie die Menschen darauf reagieren, wie ich dann darüber denken werde. Um ehrlich zu sein: Abgesehen von meinen Solo-Projekten ist der Film das beste, was ich bislang gemacht habe. Es war aufregend. Ich bin jetzt 36 – ich weiß, das ist kein Alter – ich mache seit vielen Jahren Musik. Jetzt plötzlich ein neue Herausforderung. Wow! Ein neues Gebiet, eine neue Offenbarung! Ich möchte häufiger als Schauspieler arbeiten, aber nicht auf Kosten der Musik.“
Ich habe ein paar Filmausschnitte gesehen. Mit Bart und der altmodischen Kleidung bist du fast nicht wiederzuerkennen.
„Weißt du, das ist komisch. Als Sänger habe ich niemals viel Spaß gehabt, mir selbst zuzuschauen. Was den Film betrifft: Man hatte mir geraten, mir nicht allabendlich die am Tage gedrehten Aufnahmen anzusehen.“
Warum?
„Man hatte Angst, ich würde vielleicht meine Meinung ändern und plötzlich einen Rückzieher machen.“
Hast du Schauspielunterricht genommen?
„Ich habe eine Lady namens Joan Washington aufgesucht, die mir Sprachunterricht gegeben hat. Ich muß im Film mit Dialekt, dem Cockney-Akzent, reden. Ja, und dann habe ich Michael Caine im Fernsehen zugesehen. Er hat ein paar Vorträge über Schauspielerei gehalten; ich habe mir das angeeignet.“
Würdest du zustimmen, wenn man dich als Workaholic bezeichnet?
„Wenn ich am Wochenende frei habe, ist das ok. Aber es geht nicht an, daß ich monatelang nichts tue.
Was machen Menschen, wenn sie nichts tun? Vielleicht ein paar Drinks, Fernsehen – das ist nichts „Es ist Wahnsinn, für einen Job, den man liebt, auch noch bezahlt zu werden.“
für mich. Ich meine, ich verbringe meine Abende gerne zu Hause, schlafe gerne in meinem Bett. Und ich habe mehr Freizeit, als andere sich das vorstellen können. Die Monate Juli und August verbringe ich mit meinen Kindern; sie kommen mich in England besuchen.“
Gibt es einen Aspekt in deinem Beruf, den du überhaupt nicht magst?
„Nicht wirklich. Ich meine, ich mag keine Heuchler. Solche Typen findest du aber in diesem Business ebenso wie im täglichen Leben. Es ist Wahnsinn, für einen Job, den man liebt, auch noch bezahlt zu werden. Viele Menschen haben nicht dieses Glück. Wenn ich mal anfange, mich zu beklagen, denke ich daran und halte sofort meinen Mund.“
Hast du ein Hobby außer Musik?
„Ich habe in meinem Keller eine große Modelleisenbahn aufgebaut, mit Landschaften und all dem Zeugs. Vor drei Jahren habe ich die Anlage eigentlich meinen! Sohn geschenkt. Jetzt ist es mehr meine Anlage als seine. Nach der Genesis-Tour habe ich mich drei Wochen lang im Keller verkrochen und bin nur zum Essen nach oben gekommen.“