Pop Art
Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz
iTunes-Single-Charts, 17. Mai 2011, Frida Gold: „Wovon sollen wir träumen“
Das Lied behauptet Gegenwärtigkeit nur, es beweist sie nicht durch sich selbst.
Es hängt eine seltsame Vergeblichkeit über eigentlich allen Versuchen, marktfähige deutschsprachige Popmusik zu machen; den kommerziellen Erfolg also nicht nur als Möglichkeit zu begreifen, sondern auch zu wollen. Egal wie: Selten wird es gut. Vielleicht liegt das aber gar nicht an der Musik, sondern an denen, die sie hören, an uns. Vielleicht wollen wir einfach nicht, dass es gut wird.
Am Anfang hat man selbst zum Beispiel Alina Süggeler erst mal nur gesehen, etwas mehr als ein halbes Jahr ist das her. Sie hatte für eine Werbekampagne posiert, nicht ihr erster Modeljob, denn Alina Süggeler, die da schon die Sängerin der Band Frida Gold war, ist eine schöne junge Frau – was sie als möglichen Popstar wenn nicht qualifiziert, so doch angenehm macht. Die Werbekampagne annoncierte eine weitere Designerkollektion von H&M, diesmal von Lanvin, Süggeler lag auf den Fotos in Anziehsachen in der Wanne oder stand unter der Dusche, die Fotos waren also eher lebensfern und reichlich suggestiv, aber dafür ist Werbung nun mal da. Man freute sich, von dieser Frau noch zu hören, ihre Stimme nämlich, und war dennoch überzeugt: geht nicht gut.
„Wovon sollen wir träumen“ ist die zweite Single von Frida Gold, die erste „Zeig mir, wie du tanzt“ hatte man einfach so verpasst, kann ja mal passieren. Also, es geht los: so ein fieser synthetischer Mundharmonikaklang, eigentlich eine lässliche Kleinigkeit, aber man hängt sich gleich dran auf. Und, weiter – wie der Refrain dann so schlagerhaft pompös Anlauf nimmt, ihm am Ende aber die Auflösung fehlt, zwei, drei Töne nur. Und, weiter – wie schließlich die Zeile „Wir lassen uns treiben durch die Clubs dieser Stadt“ kommt und man zu wissen glaubt, wo das Problem liegt: Das ist alles ausgedacht, da ist nichts von erlebt; das Lied behauptet Gegenwärtigkeit nur, es beweist sie nicht durch sich selbst. Was man, wäre es ein englischsprachiger Song, nicht so schlimm fände, womöglich gar genösse, als künstliche Überinszeniertheit.
Vielleicht, denkt man, ist es so, dass man deutschsprachige Popmusik in den allermeisten Fällen eben erst genießen kann, wenn sie historisch geworden ist; wenn der Abstand von Jahren die Worte und Töne aus dem Zwang befreit, eine Gegenwart zu beschreiben, für die ihr: die richtigen Worte und Töne fehlen.
Doch dann ist es zu spät.