Popfit für die Zukunft?


Nur mit einer gemeinsamen Anstrengung kann es gelingen, die Popmusik zu retten. Packen wir's an!

Die Popmusik ist in der Krise. Negativ-Wachstum, notleidende Plattenkonzerne, wegbrechende Qualifikationschancen für den Nachwuchs; Investitionen und Popkonsum sind drastisch zurückgegangen, und der globale Wettbewerb auf den Musikerzeugungsmärkten erzwingt weitere Kostensenkungen. Hinzu kommt der demographische Wandel: Die Lebenserwartung von Popstars steigt (erfreulicherweise), doch wachsen immer weniger Interessierte nach. Während 1978 ca. 3.000 Fans für einen Star aufkamen, sind es heute nur noch 17,2. Der Anteil der Pop-Produkt-Käufer zwischen 15 und 64 Jahren gegenüber den über 65jährigen Popstars wird in den kommenden Jahren weiter sinken. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Tantiemenbezugsdauer seit 1970 von zwei auf 20 Jahre gestiegen, also um 1000 Prozent. Mehr wirtschaftliche Dynamik als Grundlage für Popschöpfung braucht neue Produkte und Durchsetzungsstrategien. Die Popsysteme müssen umgebaut werden, um sie im Kern zu erhalten. Die Problematik der gerechten Verteilung von Popressourcen macht tiefe Einschnitte in Besitzstände nötig. Wir alle werden den Gitarrengurt enger schnallen müssen.

Bundesmusikblatt Jahrgang 2003 Teil 1 Nr.2, ausgegeben zu München am 27.11.2003:

Chancen geben: Die „Pop-ausbildungsoffensive 2004“

(1) Die Strukturen der Popausbildung sind verkrustet. Schnellerer Karriereeinstieg, entrümpelte Durchbruchsordnungen und lebenslanges Trend-Lernen treten an die Stelle veralteter instrumentaler Kenntnisse. An der gemeinsamen „Popausbildungsoffensive 2004“ beteiligen sich TV-Sender, Produzenten und Konzerne.

(2) Ziel muss es sein, jedem Star-willigen Jugendlichen einen Chartsplatz zur Verfügung zu stellen, um die Popversorgung auch weiterhin zu sichern und zugleich den Vormarsch sog. Independent-Firmen zu bremsen, die kaum zum tatsächlichen Aufkommen an kommerziellverwertbarer Popmusik beitragen.

Familie und Pop: Mehr Generationengerechtigkeit

II) Die Zeit der Generationenkonflikte ist vorbei; eine innovative Popgesellschaft kann sich innere Zermürbung nicht mehr leisten, sondern muss gemeinsam an der Zukunft arbeiten. Noch nie ließen sich Familie und Pop besser vereinbaren als heute, doch sind weitere Anstrengungen nötig. Die Popförderung unserer Kinder kann nicht früh genug beginnen.

(2) Der zukünftige Popkonsum unserer Kinder ist eng mit guter Poperziehung verknüpft. Frühkindliche Popförderung ist viel mehr als die von unbelehrbaren Ideologen beklagte „Berieselung“. Sie bedarf Leitbilder und qualitativ guter Angebote mit messbaren Standards. Vorschläge für solche Standards wird die Industrie gemeinsam mit Poppresse, Fernsehen und Produzenten entwickeln.

Mehr Pop: Mini-Karrieren, Lockerung des Flop-Rechts

II) Die große Zahl von Popfähigen ohne Plattenvertrag und Chartsplatz macht Reformen unumgänglich, deren Ziel es sein muss, wieder mehr Menschen in Lohn und Hit zu bringen. Die Popmarktreformen greifen hier bereits: Projekte wie „Big Brother“ und „DSDS“ haben gezeigt, dass mit den neuen Mini-Karrieren der richtige Weg eingeschlagen wurde, auch wenn bislang kein durchschlagender Erfolg erzielt werden konnte, was die Umwandlung von Mini-Karrieren in Vollzeitstarruhm anbetrifft. Hier besteht noch Reformbedarf.

12) Das Flop-Recht muss besser handhabbar gemacht werden: Bislang gilt, dass nur in Plattenfirmen mit bis zu zehn Acts kein Flopschutz lexterne Promo-Anbindung, Verschickung in Ankurbelungssendungen wie „Wetten daß?“, Garantiespielzeit im Radio] besteht. Zukünftig können zusätzlich zehn Acts befristet gesignt werden, ohne dass dadurch der Flopschutz ausgelöst wird. Plattenfirmen müssen also nicht mehr auf Zusatz-Hits überbeschäftigter Produzenten wie Dieter Bohlen ausweichen, um vorübergehenden Starbedarf zu decken.

Ein leistungsfähiges Popversorgungssystem erhalten

(1) Rund 90 Prozent der Bevölkerung in den Dienstleistungsstaaten werden durch die einschlägigen Weltfirmen beliefert. Sie alle haben unabhängig von Alter und Geschlecht den gleichen Anspruch auf die notwendige Popversorgung. Die demografische Entwicklung und der technische Fortschritt stellen das Popversorgungswesen vor neue Herausforderungen.

(2) Zur Gewährleistung einer hochwertigen Popversorgung sind umfassende Reformen nötig, um die finanzielle Lage der notleidenden Weltfirmen und Großkonzerne zu stabilisieren. Hierzu muß jeder Konsument seinen Beitrag leisten. Im Gegenzug wird die Industrie erfahrungsgemäß zu Gegenleistungen bereit sein, etwa punktuellen Preissenkungen für Impuls-Produkte, die wiederum die Attraktivität anderer Popprodukte erhöhen.

Pop für die Welt: Förderung strukturschwacher Regionen

(1) Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sinngemäß erklärt: „Einfach die aktive Popmarktpolitik, vor allem in den ostdeutschen Popländern, zurückzufahren, noch bevor die neuen Strukturen greifen, das kann nicht unsere Lösung sein. Bekanntermaßen haben es Pop-Produkte dort am schwersten, wo überkommene Musikstrukturen verkrustet sind und kulturelle Besitzstandswahrung wirkt. In gemeinsamer Anstrengung werden sich jedoch effektive Popstrukturen durchsetzen lassen, wodurch lukrative neue Märkte geöffnet werden. Dies geschieht u. a. durch Einrichtungen wie Popakademien, Nachwuchswettbewerbe sowie die Ansiedlung von Filialen großer Tonträgerkonzerne.

Pro Mainstream

11) Der Mainstream ist der Wachstumsmotor der Popwirtschaft. Unavantgardistische Rahmenbedingungen und eine finanzielle Entlastung sorgen für neue Dynamik, Wachstum und mehr Pop. Die Initiative „Pro Mainstream“ wird das Augenmerk der Konsumenten auf eingeführte, qualitativ hochwertige und effektiv marktfähige Produkte konzentrieren, um die Popversorgerzu entlasten. Die behutsame Markteinführung innovativer Produkte wird dadurch auch zukünftig gesichert sein.

Natürlich sind die hier beschriebenen notwendigen Reformen nur erste Schritte. Weitere wichtige Themen umfassen die Bereiche Eigenverantwortung llch-Pop-AGs, „Kapital für Pop“), neue Regelungen für Hitlose IFördern und Fordern, Pflichtpop-Programme für Langzeitflopsl, schnellere Vermittlung durch Pop-Center und Pop-Service-Agenturen sowie nicht zuletzt den weiten Bereich der Printmedien, wo sich Bollwerke ideologischer Bedenkenträgerei erhalten haben, die einem optimistischen Aufbruch in die Pop-Zukunft leider allzu oft im Weg stehen.