Power-Play aus Germoney


"I've Got The Power!" Nach Milli Vanilli räumt ein deutsches Dance-Produkt erneut weltweit ab. Wie die hellen Jungs von Logic Records den Snap-Coup landeten, erfuhr ME/Sounds-Mitarbeiter Michael Reinboth in Frankfurt.

An der Peripherie von Frankfurt liegt das Logic . Studio. Deutschlands Aushängeschild in Sachen Techno und Dancefloor beschäftigt fast 20 Leute auf zwei luxuriös-großräumigen Etagen. Und es wird angebaut. Im plötzlichen Trubel, von Snap ausgelöst, müssen Kapazitäten geschaffen werden: Das dritte vollcomputerisierte Midi-Studio muß dringend fertiggestellt werden, damit die anderen Klienten nicht zu kurz kommen. Und vor allem: Die interne Aufgabenverteilung muß überdacht werden: Luca Anzilotti alias John Virgo Garett III alias Benito Benites, Hauptproduzent von Snap, bleibt erstmal hinter seinen Konsolen. Rapper Turbo B und Sängerin Jackie erzählen der US-Presse derweil, daß Deutschland höllisch groovt. Der eigene Musikverlag läuft ebenfalls auf Hochtouren. „Wir stehen alle unter Streß“, sagt Michael Münzing mit unüberhörbarem Stolz auf die „Power“, die sein Label entwickelt. „In dieser Liga hatten wir bisher noch nicht mitgespielt. ,Electrica Salsa‘ von Off war nichts dagegen, obwohl es europaweit ein Hit war. Im Falle von Snap haben wir es weltweit mit 35 Plattenfirmen zu tun. Der eine will einen anderen Mix, der andere T-Shirts, Masterbänder müssen verschickt werden, hier stimmt das Cover nicht, dort platzen VideoTermine, plötzlich wollen 50 US-Zeitschriften Interviews haben. Flüge müssen umgebucht werden – es reicht!“

Wie konnte ein kleines, von Freunden finanziertes Label überhaupt in diese Größenordnung hineinrutschen? Logic-Mitbesitzer Mathias Martinson, der vorrangig mit Michael Münzing das Administrative regelt, denkt zurück: „Vor vier, fünf Jahren war der DJ in Deutschland nur ein Stück Dreck. ,Haha, ’ne DJ-Platte) haben die Plattenfirmen geunkt. Heute laufen sie den DJs hinterher. „

Münzing, der – neben Sven Väth von Off – in seinem Frankfurter Club „Omen“ noch als DJ auflegt, weiß um die Power der DJs: „Wir haben in Deutschland über 5000 Discotheken, da laufen in einer Woche an die fünf Millionen Leute durch. Viele ältere Plattenleute wollen nicht kapieren, daß man sich eine geile Platte kauft, die man in der Disco gehört hat. Als wir Snap im Omen getestet haben, haben sie die Stühle umgerissen, um die Tanzfläche zu erreichen. Da wußten wir: Wir haben einen Hit. „

Um die DJs mit neuen No Name-Produkten gezielt zu erreichen, haben Logic vor drei Jahren neue Wege beschritten, die sich heute auszahlen. Ohne den eigenen Vertrieb AMV wäre der Erfolg von Snap nicht möglich gewesen. Martinson: „Eine Major-Company hat einfach nicht die Chance, einen No Name-Danceact zu plazieren. Deren Vertreter laufen mit 30 neuen Platten nun, und dazwischen steckt eine Maxi von uns. Wir haben uns ein Vertriebsnetz mit ca. 500 Trendhändlern aufgebaut, die auch Weißmuster kriegen, die sie an ihre DJ-Spezis weitergeben.“

Die Reaktionen werden bundesweit telefonisch abgefragt. Ist das Feedback super, reagiert man quick, preßt in zwei Tagen und verschickt das Ding per privatem Paketservice, damit es jeder DJ am Wochenende in seiner Disco powern kann. Und automatisch geht das Produkt in den großen Vertrieb der Ariola über.

Anfangs vertrieb man nur die eigenen Projekte wie 16 Bit oder Off, mittlerweile überhäufen sich die Anfragen von Indie-Labels und Industrie, die ihre No Name-Dance-Produkte bei Logic/AMV in den Vertrieb geben möchten. Das gleiche gilt für das Label. Bisher hatte man sich auf die eigenen Künstler konzentriert, inzwischen quillt aus Briefkästen und Faxgeräten Angebot und Nachfrage. „‚The Power‘ hat uns unglaublich viele Türen geöffnet, das Geschäft geht jetzt erst richtig los. Wir sind ziemlich London-orientiert, dort passiert am meisten. In Deutschland dagegen gibt es nur wenige, die sich richtig in der Dance-Szene auskennen. Und die DJs sitzen hierzulande, ganz im Gegensatz zu englischen Verhältnissen, eben noch nicht bei der Industrie. Trotzdem: Was wir heute an deutschen Produktionen in die Finger kriegen, ist oft nicht übel“, meint Münzing. „Denen fehlt vielleicht noch das letzte Quentchen zum Hit“, wirft Anzilotti ein. „aber die Substanz ist oft schon gut. „

Angesichts des Studiokomplex mit dem Sportwagen vor der Tür wird einem klar: Hier wird erfolgreich gearbeitet. Zweieinhalb Jahre nach der Finanzspritze „Electrica Salsa“ liegt dem Logic-Team sogar Amerika zu Füßen. „Wenn uns das jemand noch vor kurzem prophezeit hätte, hätten wir ihn ausgelacht. Wir konnten auch nicht ermessen, was dieser Erfolg nach sich zieht“, spricht Münzing die rechtlichen Querelen an, die sie durch die Samples von Chili Roh G (der Rap) und Jocelyn Brown („I’ve Got The Power“) hatten. „Trotzdem: Auch in Zukunft werden wir wieder so verfahren. Wenn du vorher alle rechtlichen Aspekte klären willst, verlierst du den Spaß an der Nummer. Wir haben uns mit denen auch so geeinigt. Der Verlag von Jocelyn Brown gehört Jellybean, und der sampelt selbst wie verrückt.“

Das Geschäft mit dem Dancefloor-Boom läuft auf Hochtouren, und auch darauf hat sich Logic Records eingestellt.

„Länger als eine Woche sollte man an einem Titel nicht arbeiten. Wir machen jetzt schon die Remixe für ‚Ooops Up‘ bevor die Single überhaupt auf dem Markt ist“, wirft Luca ein. „Und wenn die Engländer und Amerikaner dann plötzlich Sturm läuten, können wir die fertigen Bänder schon aus dem Zylinder ziehen.“