Pretty Things – Zierenberg, Treibhaus


Nahe Kassel liegt dieses Treibhaus, der Traum von einem Konzert-, Disco- und Restaurationsbetrieb. Alles noch echt, keine Brauerei-Rustikalität, und der Chef bekocht die Band. Hautnah gedrängt das Publikum an jenem Abend, denn es gibt sie noch bzw. wieder: die Pretty Things, britische R & B-Schwitzer der Gründerzeit. Niedrige Decke, saftige Beschallung, hochatmosphärisch das Ganze. Sänger Phil May: „Looks like the Marquee!“ Und schon geht’s zur Sache. Wally Allen (b) und Neu-Drummer Simon Fox (ex-BeBop Deluxe) legen einen derart fetten Rhythmus hin, daß sich die Jahrhundertbalken biegen. Die Gitarristen: Peter Tolson der Vorspieler, im Schlepptau Dick Taylor, in dessen Gesicht achtzehn Jahre on the road tief verhaftet sind. Rock ist das, nichts als sattester Geradeaus-Rock, keine Spur von der Lauheit des letzten Albums. Die puren Rhythm & Blueser sind zwar tot, aber lassen können sie’s nicht: bei „Big Boss Man“ und „Roadrunner“ fliegt denn auch die Kuh. Die modische Kurzhaarfrisur hindert Phil May nicht, Ausfallschritte und stimmliche Überkipper der alten Schule so hinzulegen, als hätte er erst gestern nach „L.S.D.“ gestöhnt. Sie sind nicht mehr die dreckigen, versoffenen bösen Buben – doch ebensowenig kann man sie schleichender Aufweichung bezichtigen. Stücke der liegengebliebenen Alben „Silk Torpedo“ und „Freeway Madness“ kommen mit knallender Härte, reihenweise neues Material (eine Riesennummer: „Down The Road“) läßt auf eine hoffentlich schroff produzierte nächste LP hoffen. Vielleicht waren die sechs nie professioneller – möge es kein Größenwahn werden, nachdem die vorherigen Konzerte nämlich gleichfalls gut gelaufen sind. Ein letztes Grinsen von Keyboarder John Povey (der heimliche Boß?) beendet nach achtzig Minuten die Rock-Show. Fazit: Sound, Songs und Band prima, von Anachronismus nichts zu merken.

(Das geplante Interview im Anschluß an diesen Gig fiel ins Wasser, weil der Manager der Pretty Things von freien Mitarbeitern nichts wissen wollte. Dummerweise wußten wir aber auch nichts von seiner Verabredung mit der Redaktion in Hamburg… reingefallen mein Lieber, grüß‘ die Band von uns! Die Red)