Procol Harum-Chef Gary Brooker: „Wir Machen Vienna-Rock“


Rock mit klassichem Wiener Einschlag

Auf ihrer letzten Deutschland-Tour Ende 73 präsentierte sich Procol Harum „standesgemäss“ im Berliner Hilton. Das ‚Grand Hotel‘ Team Hess sich dort in einer Fernseh-Diskussion von einer kleinen, eingeladenen, aber zäh forschenden Zahl Journalisten bereitwillig ausquetschen. ME-Redakteur Lutz Wauligmann, Diskussionsteilnehmer, erinnert sich mit gemischten Gefühlen an die Stammtisch-Runde:

Der Tisch, um den herum das Round-Table-Gespräch (Originalton Einladungskarte!) stattfinden sollte, hatte mindestens vier Ecken. Dieser Umstand sorgte zwar für die ersten Witze, trennte aber ein als ‚runde Sache‘ geplantes Ding unweigerlich in zwei Parteien. Also doch ein Frage- und Antwortspiel – Betrachtet ihr euch eigentlich als eine Pöpgruppe? Verlegen blicken sich die Procols einander an. Dann fällt PH-Chef Gary Brooker eine originelle Antwort ein: „Wir haben uns das nie genau überlegt. Nach unseren Plattenumsätzen und nach unserem Publikum zu schliessen, trifft das Wort ‚Popgruppe‘ vermutlich woni aut uns zu. Well, wir machen Vienna-Rock . Rock mit klassichem Wiener Einschlag.

War der Grand Hotel-Kellner die Hauptperson?

Es dauerte eine Zeitlang, bevor die Diskussion so richtig in Gang kam Procol Harums Boss Gary Brooker sowie der gute Geist‘ und Songtexter Keith Reid waren in merkwürdigerweise recht bürgerlichen Anzügen erschienen. Sie erinnerten eher an zwei junge Nachwuchs-Politiker als an Pop-Stars Die Journalisten- und die Musikerfront starrte sich minutenlang teilnahmslos an. War es vielleicht die wartende Fernsehkamera im Hintergrund, die alle ein wenig verlegen machte? Gary Brooker fand es sehr, sehr seltsam:“.Man könnte beinahe meinen, als Sassen wir hier und warten darauf, dass die Hauptperson des Abends durch die Tür hereinkommt.“ Dass die Hauptperson des Abends der Oberkellner war. wage ich nicht zu behaupten. Als dieser aber in Grand Hotel-Manier die mittel- bis hochprozentigen Getränke serviert hatte, schien doch noch etwas Leben in die „Runde“ zu kommen.

„Wenn wie Millonäre wären…“

Warum ist Procol Harum eigentlich auf dieser Tournee nicht mit einem Orchester aufgetreten? – Gary Brooker: „Nun. wenn wir Millionäre wären, würden wir schon ein Synphonie-Orchester mit on the road nehmen. Das ist eben schon eine recht kostspielige Angelegenheit. Auf einer Deutschland-Tour vor vielen Jahren traten wir im Vorprogramm der Bee Gees auf. Zu den Bee Gees gehörte eine kleine Orchester-Gruppe – das war natürlich eine günstige Gelegenheit für uns. Auf einer anderen Tournee durch Germany hat Fritz Rau (Lippmann & Rau) uns ein Orchester besorgt Das war ebenfalls eine sehr schöne Sache, aber die Tour endete im Defizit Nur noch manchmal stürzen wir uns in so grosse Unkosten und engagieren ein bekanntes Synphonie-Orchester – zum Beispiel zu den Aufnahmen unseres letzten Live-Albums „

Nostalgie-Welle?

Auf die Frage Wie seid ihr eigentlich auf die Idee gekommen euer letztes Album ‚Grand Hotel‘ zu nennen?‘ weicht PH-Texter Keith Reid ein wenig aus: „Well, Grand Hotel ist nur ein Song auf dem ganzen Album. Mich faszinierte es. die Atmosphäre in einem Hotel des letzten Jahrhunderts zu beschreiben. Vielleicht hat mich einfach nur die Nostalgie-Welle gepackt, vielleicht konnte ich aber nur so ausdrücken, was die Procol Harum-Musik in mir auslöst.“ Obwohl Keith Reid garnicht mit der Gruppe auftritt, sondern sie lediglich mit Songtexten versorgt, gehört er doch zusammen mit Gary Brooker zum Kreativ-Team der Band. Die übrigen Musiker A. Cartwright (bass). Dave Ball (git). B. J. Wilson (drums). Chris Copping (organ) hielten sich in der Diskussion ziemlich im Hintergrund Erst als ich sie zum Schluss des Round-Table-Gesprächs wegen ihres zu Brooker und Reed recht unterschiedlichen Aussehens die Freak-Abteilung‘ innerhalb der Procol Harum-Mannschaft nannte, liessen sie sich aus der Reserve locken und lachten sich beinahe halbtot, während Gary Brooker aus der Wäsche schaute, als hätte er den Witz verpasst.