Prügelknaben


Am 10. August fiel in Reno/Nevada der Vorhang zum vorerst letzten Akt: Die englische Metal-Bastion wurde von der Anklage freigesprochen, zwei Teenager anno 1985 zum Selbstmord animiert zu haben. Corpus deliciti war primär zwar die vermeintlich kryptische Botschaft „Do it“ in dem Song „Better By You, Better Than Me“; indirekt stand aber der gesamte Heavy Metal am Pranger. „Ein schlechter Scherz“, erklärte Priest-Sänger Rob Haiford ME/Sounds. „Obwohl die beiden Jugendlichen seit Jahren drogen- und alkoholabhängig waren, versuchten die Anwälte der Familien, uns den Selbstmord in die Schuhe zu schieben. Ihr Indiz für unsere vermeintliche Schuld: zwei Worte, die sie angeblich in dem betreffenden Song als Aufforderung zum Selbstmord gehört hätten. Doch trotz eines audiologischen Gutachtens ging der Schuß nach hinten los. Statt dessen wies ein Experte unserer Verteidigung schlüssig nach, daß die Annahme, der Song enthielte die Aufforderung ,do it, letztlich auf einer akustischen Illusion beruhe. So lächerlich der ganze Vorfall auch wirken mag —er ist typisch für die Ziele der ultrakonservativen Rechten. In Amerika herrscht zur Zeit ein Klima wie in den 50er Jahren, ah McCarthy zur Hatz auf Kommunisten blies.“ Noch immer sitzt Haiford der Schreck in den Knochen. Daß er dennoch seinen Humor nicht verloren hat, bewies er am letzten Tag des Prozesses. Um zu demonstrieren, daß man durch Rückwärtsspielen alle noch so bizarren „Botschaften“ in einen Song projizieren kann, hatte er sich einen anderen Teil des Albums herausgepickt. Aus der Textzeile „They won’t take our love away“ wurde plötzlich „Hey look Ma, my chair’s broken.“ Die Zuschauer im Gericht bogen sich vor Lachen.