Quincy Jones: „Michael Jackson machte, was ich ihm sagte“


Einer der bedeutendsten Musikproduzenten des 20. Jahrhunderts verrät, wie er die Künstler zu Hochleistungen trieb.

Das Hotelzimmer im 15. Stock eines Westberliner Luxushotels ist zugestellt mit Werbetafeln für einen neuen AKG-Kopfhörer, als dessen Markenbotschafter

Quincy Jones

eine kleine Europareise unternimmt. „Was sind Sie für ein Sternzeichen?“, ruft Quincy Jones zur Begrüßung – ein Berg von einem Mann mit einer tiefen, vernuschelten Stimme. „Schütze“, antworte ich. Das sei gut, kontert der vielleicht bedeutendste Musikproduzent des 20. Jahrhunderts, denn auch Sinatra sei im Dezember geboren, und mit dem sei er durch dick und dünn gegangen. Ebenso mit Ella Fitzgerald, Ray Charles, Sammy Davis Jr. und natürlich Michael Jackson. Quincy Jones, berühmt geworden als Jazzer, Soundtrack-Komponist und Orchesterarrangeur, war der Architekt der Welterfolge „Thriller“ und „Bad“.

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: Mr. Jones, von Ihnen stammt der berühmte Ausspruch: „Ich bin jedem Freak in diesem Geschäft begegnet.“Quincy Jones: Das habe ich nie gesagt.

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: Doch, erst kürzlich, in einem Interview unmittelbar nach Michael Jacksons Tod.Jones: Dann habe ich es wohl auf ihn bezogen. Aber nicht auf Frank Sinatra. Frank war wie ein Felsen.

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: Muss der Mensch aus Fels sein, um erfolgreich zu sein?Jones: Ja, sonst werden Sie zerrieben. Ich musste ohne meine Mutter aufwachsen. Da lernt man, wie man überlebt. Man lernt durch das Überleben selbst. Man lernt durch die Fehler, die man macht. Einige der besten Melodien sind aus Versehen entstanden, weil jemand eine Note falsch notiert hat oder weil man Zeilen in der Orchestrierung verwechselt oder ein Textblatt einer falschen Melodie zuordnet.

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: Fehler zuzulassen erfordert eine andere Denkweise als jene, die einen in der Schule und an der Universität gelehrt wird.Jones: Meine Schule war der Jazz. Im Jazz, der einerseits auf klaren Regeln basierte, war es andererseits erlaubt, die Regeln zu brechen. Im Jazz ging es nicht um Geld und nicht um Ruhm. Zumindest ich habe mich um beides nie gekümmert.

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: Was war stattdessen Ihr Ziel?Jones: Ich wollte stets immer nur weiter arbeiten können. Meinen Weg unbeirrbar fortsetzen. Das ist auch heute noch das Beste, was man tun kann. Lionel Hampton lud mich mit 18 ein, auf einer Tournee Trompete zu spielen. All die älteren Musiker, denen ich in dieser neuen Welt begegnete, waren kosmopolitan, sie reisten viel, sie waren smart und lustig – und nicht zuletzt beherrschte jeder von ihnen ein Instrument.

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: Welche Rolle spielte die Virtuosität?Jones: Die Disziplin der Virtuosität war der Gegenpol zur mentalen Freiheit. Nur wer mit Disziplin sein instrumentales Können pflegte, konnte dem mitunter selbstzerstörerischen Lebensstil etwas entgegensetzen. Die Wiege der Disziplin waren die hierarchisch organisierten Bands. Charlie Parker und Dizzy Gillespie kamen beide aus einer Big Band. Auch Miles Davis ging durch die Lehre einer Band, bevor er berühmt wurde. Wir reden von Überschreibungen und Beeinflussungen. Im Jazz geht es wie im Leben immer um die Frage: Bin ich bereit, in den Schuhen meiner Vorbilder, der Giganten, zu laufen? Denn eins ist klar: Niemand wird die Musik neu erfinden. Wir können nur irgendwo anknüpfen.

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: Wollen Sie damit also sagen, dass die Basis allen Schaffens Respekt sein sollte?Jones: Bescheidenheit und Respekt – gegenüber der Geschichte und gegenüber den Ahnen. Das sind die goldenen Regeln. Und: Vergiss das Streben nach dem Erfolg.

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: Interessant: Die meisten berühmten Menschen, obgleich ehrgeizig, behaupten stets, dass der Erfolg nie ihre Antriebsfeder gewesen sei.Jones: Das ist kein Widerspruch. Gehen wir einmal davon aus, dass der Mensch nach Glück strebt. Schon die Weisen aller Weltreligionen wussten, dass man das Glück im Einklang mit Gott findet – und die Talente, die uns gegeben wurden, Gottesgaben sind. Dass Menschen mit Talent alsdann andere Menschen zu verzaubern imstande sind – das verwundert mich nicht. Nicht wenige Jazzer warfen mir vor, dass ich mich ausverkaufen würde, als ich Michael Jackson zu produzieren begann.

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: Und, war es Ausverkauf?Jones: So ein Quatsch! Wynton Marsalis war der lauteste unter den Kritikern. Dann hat er ein Album mit Willie Nelson aufgenommen. Da lache ich laut! Bei Michael habe ich die DNA des Rhythm ’n‘ Blues den neuen Zeiten angepasst. Daran ist nichts auszusetzen. Alle waren sich einig, dass er den Zenit seiner Karriere mit dem Ende der Jackson Five erreicht habe. Mein Job war es, all diesen Kritikern das Gegenteil zu beweisen.

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: Wie viel brachte Michael Jackson in seine eigenen Songs ein?Jones: Michael war ein sehr guter Zuhörer. Er hat zwar nur zwei Songs auf seinem ersten Album „Off the Wall“ selbst geschrieben. Aber er war während der gesamten Sessions anwesend und hat alles in sich aufgesogen. Er war ein sehr disziplinierter Sänger. Er machte, was ich ihm sagte.

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: Wie sahen Anweisungen von Ihnen gegenüber Michael Jackson aus?Jones: Beispielsweise bat ich ihn, mit der alten Motown-Tradition zu brechen, stets nur hoch zu singen – so singt Stevie Wonder bis heute. Man kann es gut hören auf „Don’t Stop Till You Get Enough“. Da bat ich Michael, der hohen Gesang improvisierte, tiefere Gesangslinien entgegenzusetzen. Er wehrte sich erst ein wenig, aber dann probierte er es. Und da sah er dann ein, dass es ein guter Rat war.Lesen Sie das vollständige Interview bei

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Max Dax – 23.11.2010