Radio Rock Revolution
Gleiche Welle, gleiche Stelle: Der neue Richard Curtis- Film "The Boat That Rocked" läuft unter dem Titel "Radio Rock Revolution" in den deutschen Kinos. ME-Leserin Martina Bähring sah einen gelungenen Salut an die 60s.
Grüne Cordhosen, dicke Hornbrillen, schrille Hemden – ja, die Sechziger waren modisch, nun ja, gewöhnungsbedürftig, und viele Trends haben diese Dekade zum Glück nicht überlebt. Ganz anders die Musik dieses ganz besonderen Jahrzehnts, die nach wie vor Rock’n’Roll-Fanherzen höher schlagen lässt. Von den Stones über Moody Blues bis hin zu Hendrix, sie alle und das unvergleichliche Lebensgefühl ihrer Musik haben in dem neuen Film des britischen Regisseurs Richard Curtis einen würdigen Tribut gefunden. Die Handlung dreht sich um einen der berühmt-berüchtigten Piratensender, die der tristen Medienlandschaft der damaligen Zeit ein Ende setzten und im Gegensatz zu den öffentlichen Stationen den Schwerpunkt auf Rock und Pop legten. So schaukelt Radio Rock auf einem Boot außerhalb britischer Hoheitsgewässer, ist freizügige WG, musikalischer Mikrokosmos und Revoluzzer-Radio in Einem. Mit an Bord sind unter anderem Philip Seymour Hoffman als “The Count“, dem die oben genannte Cordhose ganz hervorragend zu Leibe steht, der bezaubernd schüchterne Tom Sturridge alias Young Carl, Ralph Brown als kauziger Nachtmoderator Bob und Bill Nighy als Quentin, der mit stilvollem Seidenschal und seiner trockenen Art ein bisschen an Charlie Watts erinnert. Die bunte Truppe wird schließlich noch durch die schräge Moderatorenlegende Gavin komplettiert, gespielt von dem kongenialen Rhys Ifans, der einen lilafarbenen Samtanzug mit so viel Würde tragen kann wie kein Zweiter.Irgendwo zwischen freier Liebe, bewusstseinserweiternden Drogen und jeder Menge Rock’n’Roll versuchen die Charaktere ihre Zuhörerschaft zu erreichen, sich selbst und die Liebe zu finden, was hin und wieder auch zu (wahn-)witzigen Streitigkeiten führt. Alle Konflikte sind jedoch schnell vergessen, als sich der Sender einer mächtigen Bedrohung von außen gegenübersieht: Der britischen Regierung sind die Funk- freigeister schon lange ein Dorn im öffentlich-rechtlichen Auge und so wird deren „obszöner“ Sender kurzerhand für illegal erklärt, was die Besatzung natürlich nicht daran hindert, weiterhin den Mittelwellen-Äther zu beschallen. So liefert sich die Crew einen erbitterten Kampf mit den verstaubten Autoritäten und zeigt, wie weit sie für ihre treue Fangemeinde zu gehen bereit ist.„The Boat That Rocked“ ist ein Film für eingefleischte Rock’n’Roll-Fans, ebenso wie für alle, die einfach nur den Humor genießen wollen, der so britisch ist wie eine Tasse Tee. Neben all dem Witz kommt aber auch die ernste Leidenschaft nicht zu kurz, eine wunderbar rührend komische Szene des Films ist Bobs verzweifelter Versuch, seine Plattensammlung unter Einsatz seines Lebens vor der Vernichtung zu retten, eine Geste, die bei so manchem Vinylbesitzer auf grenzenlose Empathie stößt. Insgesamt schafft Curtis hier eine Musikkomödie mit tollen Schauspielern, perfekt ausgesuchtem Soundtrack und einer guten Portion 60er-Jahre-Nostalgie, die nicht zuletzt durch die liebevolle Ausstaffierung verbreitet wird. Die einzige Frage, die am Schluss noch bleibt, ist eigentlich nur die, warum bei so einer reichen Auswahl an passender Musik ausgerechnet Duffy den Abspann untermalen muss. Aber das sei angesichts zwei Stunden bester Unterhaltung mal verziehen…
Martina Bähring – 29.04.2009