Radiohead schon wieder gratis !
Es ist neuerdings Sitte im Hause Radiohead, Musik gratis an den Fan und Hörer zu bringen – aber Internet ist doch was anderes als ein echter, körperlicher Auftritt. Das hatte die Band wohl nicht bedacht, als es um einen neuen Coup ging: ein Gratiskonzert am 16. Januar im „Rough Trade East“ in der Brick Lane im Londoner Osten – laut Selbstauskunft immerhin Großbritanniens größter Plattenladen. „Wir spielen heute abend einen kleinen Gig“, hieß es auf der Radiohead-Webseite, „nur ein kleines Set mit in RAiNBOws-Material. Hoffentlich schafft ihr’s, es wird sicher… interessant.“
Die Zahl der Interessierten, die sich lange vor Einlass (19 Uhr) vor dem Laden versammelten, schwoll jedoch auf ein Ausmaß an, das um die heutzutage ja so wichtige Sicherheit fürchten ließ, deshalb erhielt Sean Hitchings, der den größeren Club „93 Feet East“ auf der anderen Straßenseite managt, frühabends einen Anruf: ob es möglich sei, den Gig in sein Lokal zu verlegen. Da hatten Radiohead mächtig Glück: „Es war das erste Mal heuer, dass wir keine Show hatten“, sagte Hitchings tags darauf, „also mussten wir bloß unseren Mischer erreichen, ihm sagen, er solle seinen Arsch herbewegen, und ein paar Leute für die Bar auftreiben. Und dann sahen wir einfach zu, wie sie ihr Zeug aus dem Rough-Trade-Laden rüberschleppten. Ich konnte bloß noch sagen: Sorry, Freunde, mir steht gerade die Armbehaarung zu Berge.“
Das Konzert, da waren sich alle einig, war ein früher Live-Höhepunkt des Jahres, und selbstverständlich wurde nicht nur „ein kurzes Set“ gespielt – zum Schluss ertönten sogar, was nicht oft vorkommt, „The Bends“ und „My Iron Lung“. Die Begeisterung lag sicher auch daran, dass niemand weiß, wann man Radiohead je wieder so nahe kommen wird. Andererseits: „Wären Radiohead willkommen, um öfters hierzu spielen?“ fragt Sean Hitchings rhetorisch. „Yeah, ich denke schon. Absolut!“
Ohne Rest-Eels feierte Bandchef Mark „E Everett das Erscheinen seiner Autobiografie „Things The Grandchildren Should Know“ mit einem Soloauftritt als Musiker und Vorleser in der Londoner Kirche St. James. Als Gast bat er Ex-Verlagslektor Pete Townshend auf die Bühne, der ebenfalls ein Kapitel lesen durfte.
„Sparsam“ warben die Eels für ihr B-Seiten- und Raritätenalbum useless trinkets: Weil die Reklamezeit bei der US-Superbowl (am 3. Februar) so teuer ist, dauerte der dort gezeigte Werbestreifen der Band genau eine Sekunde, in der E den Buchstaben „U“ aussprach. Der Rest des Films läuft nur im Internet.
Seine Autobiografie schreibt auch George Michael, der für das „rückhaltlose“ ‚Werk vom Verlag Harper Collins mehrere Millionen Vorschuss erhielt. Michael will ohne Ghostwriter auskommen. An dem Versuch, seine Memoiren zu diktieren, scheiterte zuletzt Mick Jagger, der nach Erhalt des Vorschusses und ein paar Sitzungen den Ghostwriter entließ, weil „mich das langweilt“.
Für einen guten Zweck wechselte Antony Hegarty (Antony & The Johnsons) kurzzeitig den Berufund entwarf ein kimonoähnliches Kleid, das ab 14. Februar auf Ebay zugunsten des Sylvia Rivera Law Project für sexuelle Selbstbestimmung versteigert wird. Andere Musiker sollen als Designer folgen.
Weniger modisch, aber ebenso gewagt war der Büstenhalter, den sichPete Doherty für ein paar Tage von einer Freundin ausleihen musste, weil er sich beim Training für den diesjährigen Londoner Marathon am gestärkten Trikot die Brustwarzen entzündet hatte. Wenn er nicht sportelt, arbeitet Doherty mit Produzent Jake Fior (der mit ihm schon den Wolfman-Hit „For Lovers“ produziert hatte) an seinem Soloalbum. Im Sommer soll die Platte (mit zwölf Songs, u. a. dem von Bootlegs bekannten „Withdrawn And Shaken“ und einer Orchesterversion von „For Lovers“) fertig sein und „bald darauf“ erscheinen.
Unsportlich finden US-Behörden den angeblichen Versuch von Timbaland, Mary J. Blige, 50 Cent, Wyclef Jean und anderen Stars, sich mit Steroiden für den Charts-Wettkampf zu „dopen“. Der Staatsanwalt von Albany County ist jedoch eigener Aussage zufolge nicht darauf aus, die Musiker und Schauspieler anzuklagen, sondern die Hintermänner zu fassen und den illegalen Handel mit Steroiden zu stoppen. Bis Redaktionsschluss ließ nur Blige die Vorwürfe dementieren.
Timbaland wird derweil von Missy Elliott umworben, die ihr nächstes Album wieder mit ihm produzieren möchte, nachdem cookbook (2005) ohne ihn entstanden war. „Sie werden sich an die Studioarbeit machen, sobald seine Terminpläne das zulassen“, verlautete aus Elliott-Kreisen, „aber es gibt noch keinen Veröffentlichungstermin.“
Am 19. Mai soll Internetgerüchten zufolge nun doch das neue Coldplay-Album Prospekt erscheinen. Elf Songtitel sind ebenfalls bereits im Umlauf, eine Bestätigung von Seiten der Band steht aber noch aus.
Von Oasis gelernt haben Fall Out Boy für ihr nächstes Album (noch ohne Titel und Termin). Laut Pete Wentz inspirierten seine Band vor allem „diese superverzerrten, beeindruckenden Riffs, und dann eine Akustikgitarre, die den ganzen Song durchspielt. Und ich will mit den Texten in eine ganz andere Richtung gehen.“ Von der eventuellen Übernahme eines Manchester-Akzents war indes nicht die Rede.
Einen ganz neuen Grund, ihren alten Bruderzwist aufflammen zu lassen, fanden die notorischen Oasis-Streithähne: Es geht um das Penthouse des neuen Beatles-Hotels in Liverpool, das Noel Gallagher gerne erwerben wollte, um dann jedoch festzustellen, dass ihn ein anderer Interessent überboten hatte: Liam.
Nach Radiohead (und, um das auch mal zu vermerken, vielen Vorgängern) wollen auch die Kaiser Chiefs die üblichen Albumformate und Vertriebswege umgehen.
„Wir wollen aus der Tretmühle ausbrechen, alle zwei Jahre ein Album zu machen“, sagte Schlagzeuger Nick Hodgson. Statt dessen soll es eine Reihe von EPs, Doppelsingles und Downloads geben, für die die Songs bereits fertig sind.
Auch Robbie Williams denkt momentan nicht daran, einen Nachfolger für rudebox aufzunehmen – schon wegen der „Umstrukturierungen“ bei seiner Plattenfirma EMI. Sein letztes, einigermaßen geflopptes Album erfüllt derweil ganz andere Zwecke als vorgesehen: Die übriggebliebenen Exemplare (über eine Million) werden nach China exportiert, dort geschreddert und zu Straßenbelag verarbeitet.
Ähnliches vermeiden möchten The Verve, die sich vor Abgabe des fürs Frühjahr angekündigten urban-HYMNS-Nachfolgers Klarheit über die finanzielle Sicherheit bei EMI und deren Promotion-Bereitschaft verschaffen wollten. Schon vor einem Gipfeltreffen des Verve-Managements und Snow-Patrol-Manager -)
ZAHLEN, BITTE!
138.100.000 Alben wurden im Jahr 2007 in Großbritannien verkauft. Das sind 10,8 Prozent weniger als im Jahr 2006 (154,7 Millionen). Die britische phonografische Industrie (BPI) nennt als Gründe für den Rückgang illegale Downloads und schwierige Handelsbedingungen, nicht jedoch mangelnde Qualität und Attraktivität ihrer Produkte. Die Verkäufe von Singles hingegen stiegen von 67 auf 86,6 Millionen, wofür keine Gründe angegeben wurden.
Jazz Summers mit dem neuen EMI-Boss Guy Hands sagte Summers: „Die haben keine Ahnung, worum es in diesem Geschäft geht.“ (Siehe auch Seite 14) Arbeiten tut Robbie Williams übrigens trotz „Streik“: Er lud Chaz Jankel von seinen Idolen (Ian Dury &) The Blockheads (deren „Sweet Gene Vincent“ er einst coverte) nach Los Angeles ein, um mit ihm „intensiv“ Songs zu schreiben. Robbie sei „in Topform“, sagte Jankel – dessen eigene Band im April ein Jubiläumsalbum veröffentlicht – über die ersten Ergebnisse.
Ein richtig normales (drittes) Album möchte hingegen Amy Winehouse aufnehmen. Bei einem informellen Gespräch vor der Tür ihrer Stammkneipe Hawley Arms in Camden verriet sie, die Platte werde in Bob Marleys ehemaligem Studio in seinem Haus auf Jamaika entstehen. Als Musiker soll unter anderem Marleys Sohn Damian dabei sein.
Am Arbeiten sind, in unterschiedlichen Stadien des Fortschritts, außerdem u. a. Oasis (noch ohne Titel, soll im Frühjahr erscheinen), Franz Ferdinand (mit Girls-Aloud-Produzent Brian Higgins), Muse, Be Your Own Pet (get awkward, 17. März), Arctic Monkeys, Clinic, Kasabian, The Long Blondes (couples, 7. April), Massive Attack (u. a. mit Damon Albarn), CSS, Yeah Yeah Yeahs, Zutons, Tapes ’n Tapes (walk it off, 8. April), The Streets, Does It Offend You Yeah (you have no IDEA WHAT YOU’RE GETTING YOURSELF INTO, 17.
März), Guillemots (red, Ende März) und The Futureheads, die ihrem dritten Album am 10. März die Single „The Beginning Of The Twist“ vorausschicken.
Nachdem sie zuletzt ihre theatralische Bühnenshow stark zurückgefahren haben, wollen My Chemical Romance auch musikalisch auf die Pomp-Bremse treten:
„Wir vermissen es, eine Rockband zu sein, aber das bedeutet keinen kreativen Rückschritt, sondern nur, dass wir jetzt bessere Musiker sind und es etwas lockerer angehen können“, sagte Sänger Gerard Way nach der Livepremiere eines neuen, ungewöhnlich fröhlichen Songs, der vorläufig schlicht „New Song“ heißt.
Zum ersten Mal nicht live eingespielt hat Carl Barät das zweite Album seiner Dirty Pretty Things. „Das war ein bisschen nervig“, sagt der Ex-Libertine, „aber die Songs sind sehr melodiös, und wenn du nur in der Gegend herum drischst, geht das verloren.“ Ursprünglich, so Barat, sollte die Platte über das Internet erscheinen: „Ich hob das bei Radiohead gesehen und gesagt: Hey, geil, das machen wir auch, aber unser Manager war dagegen.“ 20 Songs sind fertig, zwölf davon kommen im Frühjahr auf die Platte, erste Single wird wohl „Plastic Hearts“.
Im Studio ist seit Mitte Januar auch PJ Harvey- mit John Parish, um eine Fortsetzung der Zusammenarbeit der beiden auf dancehall at louse Point (1996) aufzunehmen, die im Laufe des Jahres erscheinen soll. Mit dabei sind unter anderem Eric Drew Feldman und Carla Azar (Autolux).
Die Nase voll vom HipHop hat Snoop Dogg, der laut eigener Aussage 2008 lieber rocken möchte: „Ich will mit Madonna, Bono oder Mick Jagger arbeiten“, sagte er in einem Fernsehinterview. „Ich bin voll auf Rockscheiße, Mann! Rapper langweilen mich. Ich möchte mit Leuten was machen, die von ganz woanders kommen und größer sind als ich.“
Um überhaupt weiterhin als Musikenn arbeiten zu können, hat Foxy Brownum ihre Entlassung aus demNew Yorker Gefängnis ersucht, wo sie derzeit eine einjährige Haftstrafe wegen Körperverletzung und Verstoß gegen Bewährungsauflagen absitzt. In einem handgeschriebenen Brief ließ Brown Richterin Melissa Jackson wissen, sie habe ihre Lektion bereits gelernt, es sei für ihre Besserung nicht hilfreich, „mit Mördern und Kriminellen eingesperrt“ zu sein. Zudem leide sie an einer Gehörkrankheit, die ihre Karriere gefährde und nur von einem kalifornischen Arzt behandelt werden könne.
Ein juristisches Problem geringfügigerer Art hatte R.E.M.-Sänger Michael Stipe: Als Geschworener zu einem Prozess gegen einen Mann geladen, der wegen sexueller Belästigung einer Schülerin angeklagt war, teilte Stipe dem zuständigen Richter mit, er könne, da er selbst von Stalking und Todesdrohungen betroffen sei, in einem solchen Fall nicht unvoreingenommen urteilen, und bat deshalb um Befreiung von dem Amt.
Keinen juristischen, sondern handgreiflichen Ärger bekam der Vorsitzende der britischen Conservative Party, David Cameron, bei seinem Versuch, sich zu Wahlkampfzwecken vor dem Salford Lads Club fotografieren zu lassen, dem legendärsten Freizeitheim der Welt, wo sich einst The Smiths fürs Innencover von the Queen is dead knipsen ließen. Anwohner vertrieben den Tory-Boss und kommentierten ihren Protest: „Das ist eine Schande. Was will der Kerl hier? Was haben die Torys je für uns Arbeiterklassenfamilien getan?“
The Coral sind nur noch zu fünft: Bill Ryder-Jones, den Ian Broudie, der Produzent ihres Debütalbums, den „besten Gitan-isten von Liverpool“ nannte, hat die Band nach einem Kurzausstieg vor vier Jahren (wegen Krankheit) nun endgültig verlassen.
Als Musikterrorist versuchte sich Led-Zeppelin-Sänger Robert Plant in einer Londoner Kneipe: Er verlangte vom Wirt, Radiohead abzuschalten („Gereimte Scheiße!“), war auch mit Red Hot Chili Peppers nicht zufrieden („Das sind doch Kinderlieder!“), ließ sich aber schließlich mit Captain Beefheart besänftigen.
Beim Isle-of-Wight-Festival (14. Juni) wollen die Sex Pistols erstmals seit 1977 neue Songs vorstellen. Ob es wirklich, wie kürzlich angedeutet, ein ganzes Album mit Novitäten geben wird, ist aber noch nicht sicher: „Es ist nicht leicht, Zeit zu finden, um an was zu arbeiten, weil John und Steve meistens in Amerika und Glen und ich in Großbritannien sind“, sagte Schlagzeuger Paul Cook. „Silver For Gold“ heißt ein Musical über die Schauspielerin Edie Sedgwick, die Bob Dylan zu blonde on blonde inspirierte und zum Dunstkreis von Andy Warhols Factory zählte. Verfasst und komponiert hat das Stück, das am 6. März in Los Angeles Premiere feiert, Bauhaus-Bassist David J, der dafür in Archiven wühlte und Gespräche u. a. mit John Cale führte. Für 20. Mai kündigt Hollywoodstar Scarlett johansson ihr erstes Album an. anywhere 1 lay my head enthält zehn Torn-Waits-Coverversionen und einen eigenen Song; mitgewirkt haben u. a. Nick Zinner (Yeah Yeah Yeahs) und Produzent David Sitek (TV On The Radio).
Korrektur: Im Januarheft haben wir behauptet, Leslie Feist habe an dem Kings-Of-Convenience-Album republic of two mitgearbeitet. Dies war aber nur der Arbeitstitel von RIOT ON AN EMPTY STREET. REPUBLIC of two heißt andererseits das Debütalbum der Songwriterin Nedelle, die Feist 2005 auf Tour supportete, aber (wohl) noch nie mit ihr im Studio war.
Die Toten der letzten Wochen: Oscar Peterson (82), Dave Day Havlicek (The Monks, 66, Herzinfarkt), Rod Allen (The Fortunes, 63, Leberkrebs), Keith Baxter (3-Colours-Red-Drummer, 36, Leberversagen), John Stewart (Kingston Trio, schrieb u. a. „Daydream Believer“, 68, Gehirnblutung)
Wellness-Getue gefährdet ME!
Ein neuer Trend geht um in der ME-Redaktion, der-ganz offen gesagt-das Erscheinen dieses Magazines in Zukunft gefährden könnte. Man stelle sich vor: Die Kollegen fangen plötzlich an, Mittagspausen zu machen! Als ob wir hier kein Heft zu produzieren hätten, als hocke uns nicht der große, böse, alte Affe Redaktionsschluss auf dem Dach-da rüttelt er schon wieder, wie der reinste King Kong! (erschauder)-, als hätten sie schon eine fertige März-Ausgabe unten im Kofferraum, die sie nur herauszuhieven brauchten, stehen sie auf einmal jeden verdammten Tag um halb zwei da, Jacken an, Schals um, unternehmungslustig: „Wo gehen wir hin?“ Herrgott, früher hat’s das doch auch nicht gebraucht, diese ständige Essenrennerei. Da wurde am Schreibtisch eine alte Brez’n in Butter zerrieben und eingenommen-mit der anderen Hand konnte man derweil die Maus schubsen und E-Mails checken-und gut war’s. Und jetzt auf einmal dieses Mental-Wellness-Getue mit Dönerladen (das sind aber auch nette Frauen, die einem da das Brot richten…), Inder (das schmeckt aber auch gut da). Asiamann (die gebratenen Nudeln!) und Socialising und Shoptalk und Tralala. Alles schön und gut. Aberdiese empfindlichen Zeiteinbußen! Ernsthaft: Darauf ist als Spätaufsteher, der seinen Nachmittag schon am Vormittag verballert hat, einfach nicht eingerichtet: der Flurfunker(aber sich dem süßen, süßen Gruppenzwang zu widersetzen? Dazu fehlt ganz klar die Kraft.)