Ralf Thomas – „Letztlich bin ich lieber in den Charts als im Knast“


Der Staatsanwalt läßt nicht mehr mit sich spaßen. Ralf Thomas kann ein Lied davon singen. Dem 33jährigen Plattenproduzenten aus Frankfurt wird vorgeworfen, "der größte Bootlegger Deutschlands" zu sein. Nach dreimonatiger Untersuchungshaft wartet er nun auf seinen Prozeß.

Sommer ’85. Mit der Disco-Version „Theme From Rocky“ holt Produzent Ralf Thomas zu seinem ersten Vinyl-Wurf aus. Trotz Konkurrenz der Platten-Multis hievt er den Survivor-Song in die Hitparaden.

Szenenwechsel. Im Frühjahr ’87 arbeitet Thomas, der Geschäftsführer des kleinen Frankfurter Labels „Disc International“, wieder an neuen Projekten. Von einem Tag auf den anderen findet er sich in Untersuchungshaft wieder. Was war passiert?

Ralf Thomas erzählt: „Ich hatte schon mehrmals im Auftrag einer holländischen Plattenfirma in Deutschland Alben pressen lassen. Duch Zufall sind im Preßwerk zwei Sendungen vertauscht worden, wodurch die nach Holland adressierte Fracht zu einem Kunden nach Wuppertal gelangte.“

Dort wurden die Plattenpaktete aber nicht von dem Kunden, sondern von der Wuppertaler Staatsanwaltschaft in Empfang genommen. Der Wuppertaler Händler, der von Thomas offizielle Platten geordert hatte, stand nämlich im Verdacht, mit Bootlegs zu handeln. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei neben zahlreichen Raubpressungen auch einen Lieferschein der Firma „Disc International“ (Geschäftsführer: Thomas), marschierte zum Bahnhof und fand 702 Bootlegs.

Thomas dazu: „Diese Alben wurden von mir im Auftrag des Holländers hergestellt, ohne daß ich wußte, welchen Inhalts sie waren. Solche internationalen Produktions-Transfers sind nichts außergewöhnliches.

Außergewöhnlich war aber, daß die in den Bootleg-Fall eingeschaltete IFPI plötzlich behauptete, ich sei der größte Bootlegger Deutschlands. Die sind in das Preßwerk gegangen, wo die Bootlegs hergestellt wurden, haben nachgeschaut, wie viel Einheiten dort von meiner Firma gepreßt wurden und haben unterstellt, dies seien alles Bootlegs gewesen.“

Ende Mai ’87 wurden Ralf Thomas und seine Ehefrau Susanne, die Prokuristin der Firma, festgenommen. Anfang September ’87 kam Ralf Thomas gegen Kaution wieder auf freien Fuß. 100 Tage saß er in Untersuchungshaft. Der Mann aus Wuppertal, bei dem sein Lieferschein gefunden wurde, ist mittlerweile wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht zu 22 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden.

Die Verhandlung von Ralf Thomas steht noch aus. Doch der 33jährige ist optimistisch: „Die 200000 Platten, die angeblich Bootlegs gewesen sein sollen, sind mit allen nötigen Papieren in meinen Buchungsunterlagen verzeichnet.“

Der ermittelnde Staatsanwalt Mühlhausen aus Wuppertal will sich vor der Gerichtsverhandlung nicht detailliert zu dem Fall äußern, meint aber, daß es „Anhaltspunkte gibt, die hier für einen Bootleg-Handel im großen Stil sprechen“.

Für den Staatsanwalt ergibt sich ein grundsätzliches Problem bei der Verfolgung von Bootleggern: „Am Erstellen eines Bootlegs sind ja viele Glieder beteiligt. Da ist zunächst der Auftraggeber, dann das Studio, wo die Bänder überspielt werden, das Preßwerk, die Druckerei, wo die Cover hergestellt werden, und schließlich die Leute, die für den Vertrieb der Raubpressungen sorgen. Um jemand verurteilen zu können, müssen neben den objektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen auch subjektive Elemente beim Täter nachgewiesen werden. Man muß den Leuten nachweisen, daß sie gewußt haben, was sie hergestellt haben. Und jeder, den man befragt, hat natürlich nichts gewußt.“

Ralf Thomas, der befürchtet man wolle an ihm ein „mahnendes Exempel statuieren“, hat die Haft gut verdaut und blickt in die Zukunft:

„Letztlich bin ich doch lieber in den Charts als im Knast.“