Interview

Rebecca Black im Video-Interview: „Der Druck eine perfekte Person zu sein, verschwindet nie“


Vor zehn Jahren katapultierte das Internet Rebecca Black mit ihrem Song „Friday“ von der unbekannten Teenagerin zum Viral-Star. Wir haben mit ihr über die Schattenseiten des Internet-Ruhms geredet. Darüber, wie sie es geschafft hat, Kontrolle und Selbstbestimmung wiederzuerlangen und wie sich das im Sound ihres neuesten Release widerspiegelt.

Rebecca Black ging schon viral, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Was als Herzenswunsch einer 13-jährigen Teenagerin begann, ging bald um die Welt. Im Jahr 2011 erfüllte Blacks Mutter ihr den Traum eines eigenen Musikvideos: Sie beauftragte die Firma „Ark Music Factory“ mit der Aufnahme eines Songs und den Dreh eines Musikvideos. Rebecca Black wählte aus dem Katalog den unschuldigen Song „Friday“ aus. Darin besang sie, was für viele Teenager Alltag ist: Man steht vor der Schule auf, frühstückt, freut sich aufs Wochenende und darauf seine Freunde zu sehen. Nachdem der Clip im Februar 2011 hochgeladen wurde, blieb er zunächst verhältnismäßig unentdeckt und sammelte im ersten Monat wenige tausende Klicks. Bis zwei erwachsene, männliche Comedians das Musikvideo aufgriffen.

Über das Ausnutzen von Machtstellung und Plattformen

Michael J. Nelson betitelte „Friday“ auf seinem Twitter-Account als den „schlechtesten Song aller Zeiten“. Josh Tosh führte den Clip in seiner Comedy Central Show „Tosh.O“ vor. So benutzten beide ihre Machtstellung und Plattform, um aus einem minderjährigen Mädchen Aufmerksamkeit für ihre Formate zu ziehen und sie zu shamen. Für Rebecca Black hatte dies einerseits zur Folge, dass die Klick-Zahlen explodierten. Ein paar Tage später hatte das Video plötzlich fünf Millionen Views und sie avancierte zur Internet-Berühmtheit. Andererseits erreichten sie Hass-Kommentare, ihr Gesicht wurde als Meme verwendet und sie erhielt sogar mehrfach Morddrohungen. Nicht nur im Netz, sondern auch in der Schule sah sie sich konstantem Mobbing ausgesetzt. Daraufhin entschied sich Black, sich zuhause unterrichten zu lassen.

© Carianne Older

Als Teenager zwischen Viralität und Cyber-Mobbing

Im selben Jahr folgten zwar auch ein „MTV Teen Choice Award“ als Choice Web Star sowie eine Hauptrolle in Katy Perrys Video zu „Last Friday Night (T.G.I.F.)“ — darin feiert Rebecca Black die Party nebenan, die nerdy Katy Perry vom Lernen abhält. Doch vor allem bedeutete die Viralität für Black Depressionen und Isolation. Im Laufe der nächsten Jahre sprach sie öffentlich immer wieder über das Thema Cyber-Mobbing und dessen Effekte auf die mentale Gesundheit, mit denen sie zu kämpfen hatte. Mit neunzehn Jahren musste sie noch immer die Erfahrung machen, dass Songwriter und Produzenten aufgrund des Videos nicht mit ihr arbeiten wollten.

Wie Rebecca Black sich wieder ownte

Mittlerweile hat Rebecca Black ihre zweite EP REBECCA BLACK WAS HERE veröffentlicht und Kontrolle über ihr künstlerisches Bild und ihre musikalische Richtung wiedererlangt. Sie nimmt nicht nur eine Vorbildfunktion mit ihrer Aufklärungsarbeit über Mobbing und mentale Gesundheit ein, sondern hat sich auch als queer geoutet und steht offen in ihren Songs zu ihrer Sexualität. Zum zehnten Jubiläum von „Friday“ veröffentlichte sie außerdem eine Hyperpop-Version des Songs gemeinsam mit Dorian Electra, 3OH!3 und Big Freedia.

Wir haben uns mit Rebecca Black zum Zoom-Call verabredet und mit ihr über ihre aktuelle Veröffentlichung REBECCA BLACK WAS HERE geredet: Im Gespräch geht es um künstlerische Kontrolle über sich und seine Musik, das Sprengen von Grenzen im Pop und darüber, welche Diskussionen über die Entertainment-Industrie dringend geführt werden müssten.

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Musikexpress.de: Rebecca, der Titel Deiner EP REBECCA BLACK WAS HERE erinnert an Tagging oder sogar eine Reintroduction. Was persönlich verbindest Du damit?

Rebecca Black: Diese Ära meiner Karriere hat sich auf jeden Fall wie eine Reintroduction angefühlt. Ich habe endlich das Gefühl, dass ich dazu auch vollkommen in der Lage bin. In dem Projekt habe ich Potenzial und eine Langlebigkeit gesehen. Außerdem habe ich zum Glück auch ein Publikum, das wirklich daran interessiert ist. Auf diese Art und Weise ist der Titel gerade sehr repräsentativ für mich.

© Carianne Older

Wie unterscheidet sich REBECCA BLACK WAS HERE noch von Deinen vorherigen Releases?

Im Prozess habe ich gemerkt, dass ich wirklich weiß, was ich will und mich selbstbewusst damit fühle. Vor allem damit, die kreative Leitung selbst inne zu haben. Damit habe ich als Teenager sehr gestruggelt. Als junge Frau ist es äußerst schwierig sich in dieser Industrie zurecht zu finden. Gerade wenn es um Selbstbestimmung geht und deiner eigenen Richtung zu vertrauen. Mit diesem Projekt habe ich nicht nur sehr viel Unterstützung erfahren von den Leuten, mit denen ich gearbeitet habe. Ich habe auch etwas erschaffen, an das ich selber glaube und nicht für andere zurechtgeformt habe.

Aus Deiner EP hört man sehr starke Anklänge von Hyper Pop heraus. Du hast außerdem diese wundervolle Hyperpop-Geburtstags-Version von „Friday“ gemacht — zusammen mit Dorian Electra, Big Freedia und 3OH!3. Was fasziniert Dich an dem Genre?

Ich bin ein Riesenfan der Welt und des Sounds des Genres. Aber nicht nur von Hyperpop. Von Anfang an habe ich versucht meinen sehr eigenen Sound zu finden. Vor allem, wenn es darum ging, worüber ich schreibe und und wohin ich musikalisch gehen will, wollte ich nie einem super traditionellen Weg folgen. Ich liebe Pop-Musik, aber was gerade wirklich aufregend am Genre ist, ist wie Künstler*innen versuchen das Genre voranzutreiben. Und wie Pop in alle Richtungen gebogen und ausgelotet werden kann. Was macht einen Pop-Song zeitlos und was eher aufgesetzt? Diese Frage hat mich schon als Teen am meisten interessiert. Wie schaffen es Künstler*innen Dinge in diesem Genre immer wieder neu interpretieren? Das versuche ich mit meiner Musik auch, ohne die nächste Hyperpop-Künstlerin werden zu wollen. Aber ich liebe Verzerrung, ich liebe Glitch. Und vor allem dieses Retro-Flair, das von den frühen 2000ern kommt.

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Viele Menschen beschweren sich gerne, dass es keine großen Genre-Neuerfindungen oder musikalische Bewegungen mehr gibt. Vielleicht geht es gerade verstärkt darum verschiedene Bereiche zu kombinieren?

In der Realität ist alles ständig in Bewegung. Es gibt Künstler*innen, die wunderbar auf eine klassische Art und Weise mit etablierten Genres arbeiten. Das ist toll, warum auch nicht? Und es gibt Künstler*innen, die immer wieder neue Wege ausloten Menschen mit Musik zu verbinden: Ich rede die ganze Zeit über SOPHIE und was ihre Arbeit in der Musiklandschaft bewirkt hat. Aber auch Musiker*innen wie Sega Bodega und Caroline Polachek sind tolle Beispiele. Außerdem entsteht etwas Tolles, wenn Musiker*innen aus verschiedenen Genres aufeinandertreffen und Communitys zusammenbringen.

Für Deine aktuellen Musikvideos hast Du mit dem Regisseur Weston Allen zusammengearbeitet. Allen hat unter anderem schon für Dorian Electra und The Garden gedreht. Man könnte also sagen: Hyperpop trifft auf DIY-Punk-Attitüde. Wenn es um Musikvideos geht — welche Narrative und Ästhetiken interessieren Dich persönlich?

Gerade habe ich viel Spaß an düsteren und abstrakteren Themen. „Personal“ handelt zum Beispiel davon, dass die Person, mit der du Schluss machst, dich wahrscheinlich dafür hassen oder zumindest sehr aufgebracht sein wird. Das Video spielt damit, dass man vorgibt okay damit zu sein, es aber eigentlich gar nicht ist. In „Worth It For The Feeling“ drücke ich neue Seiten meiner Sexualität aus, mit der ich viel selbstbewusster geworden bin. Und Weston Allen ist großartig. Er kommt immer wieder mit neuen grandiosen Ideen, die mit der Sicht der Zuschauer*innen spielen. Und genau das möchte ich auch, denn es geht ja um eine Reintroduction mit meinem Release.

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Ein Look im „Personal“-Clip repräsentiert eine starke Hollywood-Wife-Ästhetik. Denselben Style aus dem Video sehen wir auch auf dem Cover zu „Rebbecca Black Was Here“. Nur: Was eigentlich ein „perfektes“ Makeover ist, wird durchbrochen durch den grünen Smoothie, der da aus Deinem Mund läuft. Was reizt Dich am Stören oder Durchbrechen des perfekten Bildes?

Aufgrund meiner Vergangenheit finde ich es spannend, mit den Erwartungen zu spielen. Der Druck eine strahlende, wunderschöne, perfekte Person zu sein, verschwindet nie. Besonders wenn du mit bestimmten Leuten verkehrst. Nach den Erfahrungen, die ich gemacht hatte, bekam ich umso mehr das Gefühl mein Bild in der Öffentlichkeit perfektionieren zu müssen. In der Realität bedeutete dies, dass ich mich mit Extremen von Stress, Depression und Angst konfrontiert gesehen habe. Die Meinung anderer Menschen über mich hast sich dadurch nicht geändert. Am Ende muss ich für mich sorgen und mich selbst lieben. Was das Cover angeht, liebe ich die Zweischneidigkeit des Bildes: das perfekte Lächeln, aus dem dann aber diese ekligen Sachen kommen. Das Foto wurde tatsächlich zufällig aufgenommen. Aber in dem Moment, in dem ich es sah, wollte ich es als Cover. Denn es repräsentiert genau die Ära, in der ich mich gerade befinde.

Auf Deinem YouTube-Kanal hast Du kürzlich Dein Video „Rebecca Black Nudie Playing Cards ASMR Unboxing“ hochgeladen. Ein ASMR-Video, das mit dem Sound von Karten spielt. Bist du ASMR-Fan? Und wenn ja, welche Geräusche magst du besonders?

Ich liebe ASMR so sehr! Und ich wollte gerne einen Teaser im ASMR-Stil kreieren für das Spielkarten-Merch, das wir gedroppt haben. Sounds, die ich wirklich liebe sind Natur-Geräusche. Und alles was sehr, sehr weich klingt.

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In Deiner Karriere hast Du Celebrity-Kultur sehr transparent gemacht. Gerade gehen auch andere Künstlerinnen wie Billie Eilish diesen Weg und sprechen offen über die Schattenseiten der Industrie. Welche Probleme sollten noch sichtbarer gemacht werden, wenn es um die Auswirkungen dessen geht, eine berühmte Person zu sein?

Für Kinder in der Entertainment- und Musikindustrie — vor allem mit einer Online-Plattform – müssen viel mehr Regelungen greifen. Sie müssen mehr Unterstützung erfahren. Der Druck ein perfekter, nicht-menschlicher Charakter zu sein, muss wegfallen. So viele junge Frauen werden überall zu Dingen überredet. Dieser externe Druck ist so schädlich. Für Kinder ist er besonders gefährlich, weil sie ihrem Gefühl für sich selbst dadurch beraubt werden. Dabei ist es nur natürlich, dass Menschen Fehler machen und nicht alles was du ausprobierst auch funktioniert. Ich wünschte, wir könnten auch die unschuldigen Seiten der Menschen belassen, besonders die der Kinder. Denn sie sind unschuldig.

© Carianne Older

Schon als Teenagerin hast über Missstände in der Industrie, besonders Cyber-Mobbing, geredet. Woher hast Du die Stärke genommen in der Öffentlichkeit ein für Dich so persönliches Thema anzusprechen?

Ich hatte das Glück unterstützende Menschen um mich zu haben und am Ende des Tages somit auch einen Safe Space. Außerdem denke ich, dass wir es wirklich verdienen, für uns zu kämpfen und einzustehen. Auch als Kinder müssen wir lernen unsere Motivation zu verstehen. Wir haben alle nur unsere kurze Zeit im Leben und solange du das tust, was du tun möchtest, mit den besten Absichten und ohne andere dabei zu verletzen, solltest du damit weitermachen. Ich habe es definitiv nie bereut, mir Hilfe gesucht zu haben. Tatsächlich hätte ich das viel öfter tun sollen. Rückblickend war das alles nicht einfach. Aber es ist wichtig sich zu erlauben, die eigenen Gefühle wahr- und ernstzunehmen. Auch wenn es Tränen und viel Traurigkeit bedeutet. Aber genau das gab mir am Ende wieder viel Stärke.

Gibt es eine weitere kreative Richtung, die Du in Zukunft einschlagen möchtest? 

Ich liebe Musik. Und dahingehend gibt es noch so viel zu lernen. Ich hoffe, ich werde das noch eine lange, lange Zeit machen. Ich liebe Kreativität, bin mit Theater und Musicals aufgewachsen und darin würde ich auch gerne eines Tages wieder arbeiten, wenn die Gelegenheit kommt. Und ich mich bereit fühle. Es ist eine intensive Welt, in der wir leben. Ich bin sehr glücklich Musik machen zu können und so viel Freude daran zu haben. Aber ich will noch stärker meine eigene Basis finden, bevor ich den Kurs wechsle.

Streamt hier „Rebecca Black Was Here“:

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