127 Hours :: Zwischen Fels und Wand
Regie: Danny Boyle
Im April 2003 brach der damals 27-jährige Extremsportler Aron Ralston zu einem eintägigen Wander- und Klettertrip in die Canyonlands von Utah auf. Fünf Tage später wurde er von zwei Hikern gefunden und gerettet: Nachdem ein herabstürzender Fels seinen rechten Arm an die Felswand eines kleinen Canyons gequetscht hatte, konnte Ralston sich befreien, indem er seinen Arm mit einem stumpfen Taschenmesser knapp unter dem Ellbogen selbst amputierte. Danny Boyles Film hält sich eng an die Tatsachen bei seiner Nacherzählung des 127 Stunden währenden Martyriums Ralstons. Nur in einer frühen Szene nimmt sich der britische Regisseur Freiheiten, was sie so bezeichnend und entscheidend macht. Es stimmt, dass Ralston bei seinem Marsch durch die Canyons auf zwei Wanderinnen traf. Es stimmt nicht, dass er den zwei Mädchen einen unterirdischen See zeigte, an den man nur gelangen kann, indem man sich in einen Felsspalt stürzt. In diesem einen Moment steckt alles, was man über den Film wissen muss: Man sollte alles vergessen, was man sich ausgemalt hat, die Augen schließen, dem Regisseur vertrauen. Und loslassen. Denn, klar, 127 Hours ist der Film mit der Amputationsszene. Muss man nicht verleugnen. Sie ist Dreh- und Angelpunkt. Auf diesen einen Moment steuert der ganze Film zu. Und er ist schwer zu ertragen. Wie auch? Aber es geht nicht um diesen einen Moment. Es ist kein moderner Die 120 Tage von Sodom, keine Mutprobe, kein Belastungstest, keine Publikumsverachtung. Es geht darum, was dieser Moment bedeutet, was er auslöst. Das macht die Größe von 127 Hours aus, der Danny Boyle nach seinem Oscar-Gewinn für Slumdog Millionär auf der Höhe seiner Kunst findet. Er erspart einem das Unansehbare nur deshalb nicht, weil der nackte Schrecken auch der Augenblick des Triumphes ist: Es geht um Befreiung, um Euphorie, um eine Anmutung, was es bedeutet, am Leben zu sein. All die Themen, die Boyle seit Trainspotting immer wieder interessieren in immer perfekteren Fusionen von unabhängigem Kino, fernab aller Regeln und purer Pop-Unterhaltung, kommen in 127 Hours zusammen. Dieser Film ist Achterbahnfahrt und philosophische Betrachtung, Actionkino und Halluzination.
Mit James Franco, Kate Mara und Amber Tamblyn
(USA 2010)
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