Bing & Ruth
No Home Of The Mind
4AD/Beggars/Rough Trade
Neoklassische Avantgarde an diversen Pianos: mal nur Wohlklang-Tapete, mal mehr.
Der Name führt schon mal in die Irre: Bing & Ruth ist eben kein Duo, kein zweites She & Him, kein Sea + Air. Hinter dem drolligen Projektnamen steht nur ein einziger: David Moore, Musikakademiker, Absolvent der New Yorker New School for Jazz and Contemporary Music, an der Institutionen wie Steve Reich und John Cage die Erneuerung der Musik erforschten. Moore versteht sich wie die legendären Kollegen als neoklassischer Minimalist, dennoch unterlag er zuletzt der Versuchung, Bing & Ruth zu einem großen Ensemble aufzubauen.
Elf Musiker waren am Werk CITY LAKE beteiligt, ein Album, das Moore zunächst nur im Eigenvertrieb verkaufte, bevor die große Nachfrage ein Reissue verlangte und ihm einen Vertrag beim über alle Kritik erhabenen Indie-Label 4AD einbrachte. Mit NO HOME OF THE MIND geht der Musiker jedoch einen Schritt zurück: Ermüdet vom logistischen Aufwand der Kollektivbetreuung ufert das dritte Album des Projekts nicht mehr aus, der Fokus gehört diversen Klavieren. Ähnlich wie der Berliner Kollege Nils Frahm interessiert sich David Moore für die „Persönlichkeit“ des Pianos.
Für NO HOME OF THE MIND ging er vor wie ein Kleinkind, das seine Schleich-Spielzeugtiere immer wieder neu aufstellt und ordnet, bis es irgendwann, irgendwann dann auch mal zufrieden ist. So macht Moore das mit den Pianos: Er verbringt Zeit mit den Instrumenten, stellt sie auf, prüft die Wirkung im Raum, ändert Dynamiken und Arrangements. Heraus kommt ein Werk, das diese Spielereien mit akademischen Ansätzen kombiniert. Die Wirkung ist dabei recht unterschiedlich: Es gibt Tracks, die schön klingen, jedoch keine Spuren hinterlassen. Auf Stücken wie „Scrapes“ funktioniert Moores Versuchsanordnung dagegen perfekt: Was harmlos beginnt, entwickelt mit jeder Harmonieverrenkung mehr Kraft.