DVD
Kampf den Autoritäten!
The Other F Word
StudioCanal
Wenn wilde Kerle Väter werden: Ist das noch Punkrock? Zur Mythologie der Rock-Kultur gehören der Stinkefinger, die Ablehnung von Autoritäten und das jugendliche Privileg, die Welt schön schwarzweiß zu sehen: Wir sind, wie wir eben sind, im Zweifelsfall supercool, und alle anderen sind ahnungslose Idioten, Spießer, alte Säcke. Nur tritt beizeiten leider ein – da biologischer Natur, unvermeidliches – Problem auf: Auch Bilderstürmer werden älter. 1965 dichtete Pete Townshend die unsterbliche Textzeile „Hope I die before I get old“, heute sieht er das womöglich anders: „Hope I get old before I die.“ Einmal Rebell – immer Rebell? Dieser Frage geht die Regisseurin Andrea Blaugrund Nevins in ihrer rund 100-minütigen Dokumentation „The Other F Word“ nach. Anhand eindrucksvoller Beispiele aus der Welt des amerikanischen Punkrock: Die Hauptdarsteller sind Art Alexakis (Everclear), Rob Chaos (Total Chaos), Ron Reyes (Black Flag), Mark Hoppus (Blink 182), Flea (Red Hot Chili Peppers), Jack Grisham (TSOL), Duane Peters (U.S. Bombs), Lars Frederiksen (Rancid), Fat Mike (NOFX), Tim McIlrath (Rise Against) sowie Jim Lindberg (Pennywise). Nevins hat sich über Wochen, Monate, zum Teil sogar Jahre an die Fersen der Musiker geheftet, besuchte sie privat, begleitete sie zur Arbeit auf Konzerte. Parallel erzählt sie deren Geschichten und dokumentiert die Entwicklungen dieser Männer, die entweder ganz ohne oder aber mit untauglichem Vater aufgewachsen sind. Für alle war Autorität zeitlebens ein Fremdwort. In sehr intimen Interviews kitzelt Nevins aus den Jungs heraus, dass für sie das weitaus schlimmere F-Wort „Father“ war. Und heute? Gilt es den schwierigen Spagat zwischen Tourbus und Zügellosigkeit einerseits, Familienleben und Windeln andererseits zu meistern. Selten wurde der Mythos des Rebellen so witzig und unterhaltsam aufgearbeitet.
***** Mike Köhler
Sigur Ros
Valtari Film Experiment
Parlophone/EMI
Vorsicht Kunst: 16 Kurzfilme zum jüngsten Studioalbum.
Dass sie eine starke Affinität zum Medium Film haben, ist nichts Neues. Und dass ihre Musik eine bildliche Qualität besitzt, sowieso. Da liegt es nahe, das Hörbare visuell zu erweitern und Kurzfilme zu den Tracks ihres jüngsten Album VALTARI in Auftrag zu geben: ein Ambient-Epos, das die US- und UK-Top 10 knackte. Dementsprechend sind die Etats für die Inszenierungen auch nicht eben Low Budget. Was sich in Auftritten von Hollywoodstars wie Elle Fanning oder Shia LaBeouf manifestiert. Aber auch in angesagten Filmemachern wie Ramin Bahrani, Alma Har’el, John Cameron Mitchell oder Ryan McGinley, die die Stücke zum Beispiel als ausdrucksstarken Tanz inszenieren, als Comedy-Einlage in einem Nobelrestaurant, als homoerotisches Liebesdrama oder einfach nur mit starken Bildern aus der Natur untermalen, die in Richtung „Tree Of Life“ tendieren: „Valtari Film Experiment“ ist ein beeindruckendes audio-visuelles Gesamtkunstwerk.
**** Marcel Anders
I’m Now: The Story Of Mudhoney
King Of Hearts Productions
Ganz nah am Weltruhm: die Erfinder des Grunge.
Wie heißt es im Werbespot um ein Hustenbonbon aus der Schweiz so urig plakativ: „Wer hat’s erfunden?“ Nun, was den Grunge angeht, hätten Mudhoney den Erfinderpreis verdient, doch Ruhm und Kohle kassierten andere. „I’m Now: The Story Of Mudhoney“, eine Doku der Filmemacher Ryan Short and Adam Pease, klärt dies noch einmal auf und analysiert anhand von Archivmaterial die verpassten Chancen des Quartetts aus Seattle – von den Anfängen unter anderen Bandnamen bis hin zum sich andeutenden Durchbruch von Mudhoney im Jahre 1988 mit der Nihilismus-Hymne „Touch Me I’m Sick“. Bei der launigen Geschichtsstunde mit dabei sind Weggefährten wie Tad Doyle, Stone Gossard und Jeff Ament (Pearl Jam), Kim Gordon und Thurston Moore (Sonic Youth), Kim Thayil (Soundgarden), Produzent Jack Endino und Jonathan Poneman, Mitbegründer des Labels Sub Pop. Vor allem aber steuern natürlich Mudhoney selbst die eine oder andere Geschichte bei.
**** Mike Köhler
Emeli Sandé
Live At The Royal Albert Hall
Virgin/EMI
Soul-Talent – live und ohne Kanten.
Sie singt. Dann eine harmlose Anekdote. Dann singt sie wieder. Und das macht Emeli Sandé auch ziemlich gut. Und doch: Das Markanteste an ihr ist ihre blondierte Tolle. Pünktlich zu ihrer Deutschland-Tour veröffentlicht die schottische Singer-Songwriterin, deren Debüt OUR VERSION OF EVENTS Großbritanniens meistverkauftes Album 2012 ist, eine Live-DVD/CD. Gemächlich geht es los – und so bleibt es auch die ersten 50 Minuten. Die 25-Jährige präsentiert in der Royal Albert Hall ihre stark von Gospel inspirierten Songs, größtenteils Balladen, darunter Nina Simones „I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free“. Erst im zweiten Teil holt Sandé die Disco-Diva aus sich heraus. Nach knapp zwei Stunden bleibt der Eindruck einer braven, sympathischen Künstlerin mit einer großartigen, klaren Soul-Stimme – und einem Hang zu etwas schnulzigen Pop-Arrangements.
*** Renzo Wellinger
Beatles Stories
Los Banditos Films/Lighthouse Entertainment
Allerlei Menschen, allerlei Anekdoten.
Wer meinte, über die Beatles sei schon alles und von jedem gesagt worden, der irrt: Regisseur Seth Swirsky traf allerlei Menschen, die irgendwann mit den fabulösen Vier zu tun hatten und ihre Anekdoten nun zum Besten geben. Prominente Zeitgenossen wie Smokey Robinson, Ben Kingsley und Art Garfunkel sind dabei, aber auch jede Menge Normalos, die Triviales bis Unterhaltsames in die Kamera sprechen. Manche der Anekdoten erhellen die wundersame Welt der Beatles, doch wird hier auch viel heiße Luft in die Atmosphäre geblasen. Für Hardcore-Fans dürfte das kein Problem sein, für den Rest der Welt vermutlich schon. Was den Kreis der potenziellen Zuschauer aber kaum einschränkt, denn: Beatles geht irgendwie immer. Und die Geschichte, wie John Lennon einst den vor Selbstbewusstsein berstenden Jungschauspieler Jon Voight abblitzen ließ, ist ja auch wirklich lustig.
*** Uwe Schleifenbaum
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