DVD

DIE GROSSE ARSCHLOCH-PARADE

HOUSE OF LIES, STAFFEL 1

Paramount

Der Unternehmensberater, das unbekannte Wesen: aalglatt, skrupellos und windig

Seit geraumer Zeit offerieren amerikanische Pay-Channel kinoreife Qualität in später meist preisgekrönten TV-Serien. In tiefgründigen Sujets tummeln sich lebensnah entwickelte Figuren bis in kleinste Nebenrollen. Auch die vom Sender Showtime 2012 auf die Spur gebrachte, mit einem „Golden Globe“ ausgezeichnete Reihe „House Of Lies“ funktioniert bestens. Konzipiert und produziert von Matthew Carnahan, Jessika Borsiczky und Stephen Hopkins nach dem Buchbestseller „House Of Lies: How Management Consultants Steal Your Watch And Then Tell You The Time“ von Martin Kihn, einst selbst als Unternehmensberater tätig, offenbaren sich in der ersten Staffel von der Premierenfolge „Die Bank zahlt alles“ bis zum Finale „Der vergiftete Brunnen“ erhellende Einblicke in geschäftliche wie menschliche Abgründe. Unternehmensberater Martin Kaan (aalglatt gespielt von Don Cheadle), Gruppenchef bei Galweather & Stearn in Los Angeles, der karrierebesessene Sexist Clyde Oberholt (Ben Schwartz), Elite-Uni-Absolvent Doug Guggenheim (Josh Lawson) sowie die zumindest manchmal zweifelnde Jeannie van der Hooven (Kristen Bell) nehmen es bei ihren Aufträgen für Banken, Unternehmen und Sportclubs weder mit Gesetz noch Moral allzu genau. Einigkeit herrscht vor allem, wenn es darum geht, ordentlich Honorare, Provisionen und Spesen abzuschöpfen. Dann raten sie ihren Klienten schon mal einstimmig kaltherzig: „Angestellte feuern!“ Bisweilen friert die Szenerie um den windigen Kaan einfach ein und man lässt ihn zwischen starren Mimen in mitunter absurder Ausführlichkeit analysieren, erläutern und kommentieren. Für die einen der endgültige Untergang des Abendlands, für die anderen Entertainment auf allerhöchstem Niveau.

***** Mike Köhler

SNOOP LION REINCARNATED

Vice Films/H’art

Vom Gangsta-Rapper zum Hippie

„What’s my motherfucking name?“, fragte er vor 20 Jahren. Die Identitätskrise des kalifornischen Rappers hat ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht: Snoop Dogg nennt sich jetzt Snoop Lion und macht Reggae statt Gangsta-Rap. Eines hat sich aber nicht geändert: Der 41-Jährige raucht nach wie vor viel Gras, wie die Doku über seine spirituelle Wandlung und musikalische Neuerfindung zeigt. Auf Jamaika, wo Snoop sein zwölftes Studioalbum REINCARNATED zusammen mit Produzent Diplo und dessen Team Major Lazer aufnahm, besuchte er eine Marihuana-Plantage, was er sonst noch so trieb, hielt Andy Capper, Filmemacher und Redakteur bei der Hipster-Postille „Vice“, in einem 90-minütigen Film fest. Ob die Läuterung vom Pimp zum Reggae-Hippie nun echt ist oder lediglich eine clevere Marketing-Strategie: „Reincarnated“ ist ein persönliches, teilweise überraschend berührendes Porträt eines Künstlers, der seine Vergangenheit reflektiert.

***** Renzo Wellinger

WE ARE MODESELEKTOR

Monkeytown/Rough Trade

Begreift doch: Der Beat braucht Platz!

Wie groß das Verlangen beim durchaus enthusiastischen Modeselektor-Publikum ist, sich mittels Kauf-DVD mit der Geschichte des Elektro-Duos aus Brandenburg auseinanderzusetzen – schwer zu sagen. Aber eigentlich auch egal, denn ein Telefonanbieter finanziert diese Doku. Was „We Are Modeselektor“ schließlich auch für weniger enthusiastische Follower sehenswert macht: Die Geschichte von Gernot Bronsert und Sebastian Szary vermittelt ein lebendiges Bild von der Aufbruchsstimmung, die Techno in Ostdeutschland entfachte. Zudem sollte der Film bei Stadtplaner-Kongressen gezeigt werden, damit die mal kapieren: Wer möchte, dass so was Prachtvolles wie Modeselektor wächst, muss Räume dafür lassen. So wie sie Bronsert und Szary in Zementwerken, Altbau-WGs und Jugendzentren gefunden haben. Die dank Privat-Aufnahmen aus den Neunzigern und vieler freimütiger, uneitler O-Töne von Band, Familie und Begleitern geradezu familiäre Doku bringt als Bonus vier Musikvideos mit.

****1/2 Oliver Götz

GIRLS 1. STAFFEL

Warner Home

Sex And The City in echt

Während sich Carrie beim Lunch mit ihren Freundinnen den Lockenkopf darüber zerbrach, wie sie ihren Mr. Big zur ückbekommt, kämpfen die „Girls“ mit echten Problemen: Wie überlebt man mit einem unbezahlten Praktikum in New York? Es geht ums Erwachsenwerden, um Freundschaften, Beziehungen und Sex. Sex, der ohne romantischen Schnickschnack auskommt. Überhaupt wirkt alles an dieser mehrfach ausgezeichneten HBO-Serie authentisch. Das liegt daran, dass die Geschichten rund um Protagonistin Hannah Horvath von Darstellerin Lena Dunhams realen Erfahrungen inspiriert sind. Die 27-Jährige spielt nicht nur die Hauptrolle, sondern schreibt auch die Drehbücher, produziert und führt auch mal Regie. Zum Personal gehören komplexe, nicht immer liebenswerten Charaktere, die sarkastisch, direkt und saukomisch sind.

***** Renzo Wellinger

NASHVILLE

Winkler Film/Alive

Robert Altmans Episodensammlung aus der Music City

Was für eine großartige Idee: Die Befindlichkeiten einer Nation an jenem Ort zu spiegeln, an dem Schein und Sein direkt aufeinanderprallen. Nashville, Hort der amerikanischen Populärkultur, wo herausgeputzte Countrymusiker ein Stück vom großen Kuchen abkriegen wollen, wo Ruhm und Absturz, künstlerische Integrität und blanker Kommerz so dicht beieinanderliegen, war für Regisseur Altman 1975 die perfekte Kulisse. Vor dem Hintergrund der 200-Jahr-Feier der USA verknüpfte er lose Handlungsstränge zu einem amerikanischen Panorama aus Sex, Lügen, Gewalt und Politik. „Nashville“ wurde für fünf Oscars nominiert, ausgezeichnet wurde letztlich nur Keith Carradines „I’m Easy“ als bester Song. Um Missverständnissen vorzubeugen: Man muss kein Country-Fan sein, um „Nashville“, jetzt erstmals auf DVD erhältlich, goutieren zu können.

***** Uwe Schleifenbaum