Ebony Bones
Nephilim
1984/Tunecore
Wut annehmen, ohne sich ihr zu ergeben: Ebony Bones, Musikerin und Produzentin aus London, of colour und weiblich, denkt Punk noch einmal anders – als Klassik und Jazz.
Der Sound, der für mich von allen Klängen der populären Musik am stärksten wirkt, das ist eine nervöse, sich überschlagende Trommel, die einem erhabenen Anschwellen entgegenschlägt, es antreibt und durchkreuzt – so funktioniert, zum Beispiel, der Jazz von Louis Moholo, aber so funktioniert auch der Einstieg in NEPHILIM, das dritte Album von Ebony Bones nach Bone of My Bones (2009) und Behold, A Pale Horse (2013).
Da trifft kaltes Schlagzeug irgendwo zwischen Marsch und explodierenden Feuerwerkskörpern auf zirkulär dräuende Bläser, gespielt u.a. vom Jimi-Hendrix-Saxofonisten Lonnie Youngblood, deren düsteres Motiv alsbald, im zweiten Track, von den Streichern des Beijing Philharmonic Orchestra aufgenommen wird. Irgendwann zur Hälfte dieses Stücks erst hört man zum ersten Mal die Stimme von Ebony Thomas – klar, anders kaum vorstellbar bei der Art-Pop-Diva, aber eigentlich mehr als bemerkenswert für eine Künstlerin, die zu Beginn ihrer Karriere vor einem Jahrzehnt für feministischen, afro-futuristischen New Wave stand und mit Yoko Ono, Rat Scabies (The Damned) und Design-Ikone Alexander Wang zusammenarbeitete.
NEPHILIM ist ein dichtes Album – und ein sehr gutes
Auf Nephilim macht sie sich nun noch grenzenloser und findet einen zugleich großen wie doch konzeptuell kompakten Sound, der „Neo-Klassik“ anders denkt als bloß Beats mit Geigen. In manchen Stücken rekurriert sie auf ihre Trademarks, einen Sound à la Yeah Yeah Yeahs mit Drum Machine, etwa beim postkolonialen „Kids Of Coltan“, dem eine jazzige Anklagesoundmauer gegen den belgischen König Leopold, der um 1900 den Kongo brutal ausbeutete, vorangestellt ist. „No Black In The Union Jack“ zieht eine gerade Linie vom Rassismus der 60er-Jahre zum Brexit. Ein Kinderchor covert „Police & Thieves“, geschrieben von Lee „Scratch“ Perry, bekannt geworden dank The Clash. Es geht um Kindheiten und Zensur. NEPHILIM ist ein dichtes Album, mit Verweisen in Vergangenheit und Zukunft, ein sehr gutes in seiner Unbequemheit ist es nicht weniger.
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