Einstürzende Neubauten
RAMPEN (APM: ALIEN POP MUSIC)
Potomak/Indigo (VÖ: 5.4.)
Die Berliner Klangforscher und ihre Neubauten-Musik entwickeln wieder ihren einzigartigen Sog.
Manchmal möchte man Blixa Bargeld einfach knuddeln. Zum Beispiel, wenn er so schön absurde Sachen singt wie: „I’m sitting in my chair, feeling very Pestalozzi.“ Im Hintergrund wird kräftig auf Metallplatten gehauen, die schön nachhallen, und der Rest der Einstürzenden Neubauten brummt wie der Männerchor des Indianer-Reservats (Ja, sagt man heute nicht mehr, aber es geht hier eher ums Karl-May-Klischee, nicht um die gesellschaftliche Realität der Native Americans).
AmazonSo lange die Neubauten das jetzt schon machen, also mittlerweile recht herkömmliche akustische Klangforschung mit Bargelds Sprachkonventionen aushebelnder Poesie zu verbinden, so erstaunlich ist es, dass sie einen doch tatsächlich immer wieder aufs Neue überraschen. Denn so bekannt der mehr als vier Jahrzehnte alte Ansatz ist, er bleibt so einzigartig, dass er nicht langweilig wird.
Wie in einem Adventure-Game für literaturbeflissene Ex-Punks
Da hilft, dass die Neubauten ihre Methoden beständig verändern. Für RAMPEN wurden die Aufnahmen von Live-Improvisationen der Zugaben der 2022er-Tour als Basis verwendet. Die Folge ist, dass die meisten Stücke noch einmal intensiver mit Monotonie spielen, als man es von den Neubauten eh gewohnt ist, dass hier ein Sog entsteht, der erst auf die lange Distanz dieser 15 Stücke auf 75 Minuten eine Kraft entwickelt, die an die allerbesten Krautrock-Momente von Can oder Neu! erinnert.
So mäandert die Musik scheinbar ziellos, irrt durch Klanglabyrinthe auf immer höhere Level, auf denen es immer wieder neue Wort-Rätsel zu lösen gibt wie in einem Adventure-Game für literaturbeflissene Ex-Punks. Aber dass man das alles nicht so super ernst nehmen muss, signalisiert Bargeld dann spätestens mit seinem ersten Song in breitem Berlinerisch: Eine von Fieber geschüttelte Gitarre lärmt durch „Ick wees nich (noch nich)“, und Bargeld offenbart seine und unser aller Ratlosigkeit: „Und allet hat sich uffjelöst / Wat nu?“
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