Faith :: Epic/Sony Music
Soul-Pop: Das erste Soloalbum des frühreifen Altklugen.
Die Erwartungen waren hoch, nachdem Wham!-Musiker George Michael seine erste Solosingle, jenen Geniestreich namens „Careless Whisper“ veröffentlichte – den Song schrieb er mit 18. Doch während „Careless Whisper“ mit altersangemessener Naivität die Unsicherheiten der Liebe beschreibt, ein Schritt vor, zwei zurück, wird das 1987 veröffentlichte Solodebüt Faith von einem Gefühl der Frühreife und leider auch Altklugheit dominiert. Es sind eher Stilübungen als Songs mit Erfahrungstiefe. Zum Fingerschnipp-Gospel von „Father Figure“ bietet sich der 23-Jährige in freudscher Verklärung als Beischlafpartner plus „Vaterfigur“ an; und man muss nur das langsam schleppende „I Want Your Sex“ mit dem ein dreiviertel Jahr zuvor veröffentlichten, wundersamen Kopulations-Rhythmus von Princes „Kiss“ vergleichen um festzustellen, dass Erotik nicht wirklich George Michaels Stärke ist. Er sollte sich auch nicht so sehr an anderen orientieren. Den Kaffeehaus-Jazz von „Kissing A Fool“ etwa schrieb er ursprünglich für Frank Sinatra, der aber lehnte ab, also sang George Michael das Lied selbst, so falsch klingt es auch. Doch gibt es auch Lichtblicke auf Faith. Die beiden herausragenden Songs des Albums sind zum Einen die unprätentiöse Armut-auf-den-Straßen-Beobachtung „Hand To Mouth“, deren Tanzbarkeit einem ein schlechtes Gewissen bereiten könnte; sowie das Titelstück, eine unendlich leichtfüßige Rock’n’Roll-Nummer, die einem Songwriter wohl nur ein einziges Mal im Leben im Schlaf zufällt. Als Ausnahmekomponist jedoch sollte George Michael sich erst mit Listen Without Prejudice Vol I (1990) und Older (1996) herausstellen. Alles darauf wirkte echt. Das erste Album zeigte ihn als zutiefst verunsicherten Popstar, der abtreten will; das zweite als Trauer tragenden Witwer. Die „Deluxe Edition“ von Faith enthält neben dem Remaster aller Songs auf vier CDs und Doppel-Vinyl auch Remixe, B-Seiten sowie Promo-Videos, zum Beispiel von „I Want Your Sex“, angepriesen als „Uncensored“ – 1987 sicher eine heiße Nummer, heute zahmer als jede Reality-Sendung auf MTV und nur als historisches Dokument bedeutsam.
Sassan Niasseri
Royal Trux
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