Fraktus

Millennium Edition

Staatsakt/Rough Trade 9.11.

Die Geburt einer Techno-Legende Oder: Wie der Fake unsere Wahrnehmung von Geschichte verändert.

Beginnen wir mit Studio Braun, hinter dem Hamburger „ Humor-Sach­ver­ständigen­rat“ verbergen sich Jacques Palminger, Rocko Schamoni und Heinz Strunk. Fah­ren wir fort mit Fraktus: Hinter der gerade geborenen „Techno-Legende“ ver­bergen sich Jacques Palminger, Rocko Schamoni und Heinz Strunk.

In ihrer vierjährigen, von einem Kurzschluss mit feurigen Folgen abrupt beendeten Bandgeschichte haben sie den ästhetischen Grundstein für den großen Wumms gelegt, der so ziemlich alle verfügbaren Persönlichkeiten von Westbam („Ich bin Fan seit der ersten Stunde“) bis Scooter („Das war für mich der Startschuss, selber Musik zu machen“) erfasst hat.

1983 entern Fraktus mit dem Wummer-Disco-Track „Affe Sucht Liebe“ die deutsche Hitparade. Gut ein Vierteljahrhundert später haben Palminger, Schamoni und Strunk dann endlich die Band erfunden, die sie immer schon sein wollten, aus autobiografischen Gründen aber nie sein konnten: Mittig zwischen Palais Schaumburg und DAF angesiedelt, angetriggert von Quarzbässen, Computerstimmen und klaren, geraden Beats. Mit selbst gebauter Wikipedia-Seite, einer aufwendig beworbenen Doku zum Comeback-Tourstart, einer Kollektion ihrer tollen Single-Cover, Fanzineausschnitten und, und, und. So liebevoll das Design, so kategorisch der Sound: Techno als Holzschnitt. Techno als Dada-Hörspiel. Wortgeklingel aus dem Punk-Keller. Bombenalarm, Pogomania, Supergau, und im Hintergrund qualmen Tschernobyl und Helmut

Schmidt um die Wette. Man hätte dabeisein wollen. Die Vergangenheit ist jetzt. Der Elektronik-Produzent Jan Jelinek hat die Idee mit Ursula Bogner zuletzt erst auf einer etwas akademischeren Ebene durchgespielt: Er erschuf eine mit Synthesizern und Ringmodulatoren experimentierende Hausfrau und Mutter, deren Archive (1969–1988) zufällig entdeckt wurden und betrieb ein irreführendes Spiel um Authentizität und Fake, das sich im WWW lustig fortpflanzte. Dass die Idee bei Fraktus ein kleines bisschen besser als die Platte ist, stört gar nicht. Der Fake entwickelt ein Eigenleben (siehe Ursula Bogner), wo er einmal in der Welt ist, will er sich mit neuen, weiter reichenden Aufnahmen manifestieren. Bei Fraktus ist reichlich Beinfreiheit vorhanden.

Key Tracks: „Jagd den Fuchs“, „Affe Sucht Liebe“, „ Kleidersammlung“

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