Greg Graffin
Millport
Anti/Indigo
Are you ready for the Country? Das Bad-Religion-Mastermind entdeckt seine musikalischen Wurzeln.
Im fortgeschrittenem Alter packt Männer oft die Lust an amerikanischer Volksmusik: Bon Jovi und Steven Tyler, Mike Ness und Bela B – sie alle haben Country-Platten aufgenommen. So (Punk-)Rock kann man offenbar gar nicht sein, dass einen nicht eines Tages die Lust auf Fidel, Banjo und Pedal Steel Guitar überkommt. Jüngstes Beispiel (also, chronologisch gesehen): Greg Graffin.
Der nutzt seine Soloalben seit einiger Zeit für Genre-Experimente, die bei seiner Band Bad Religion allerallerstrengstens verboten sind: Auf COLD AS THE CLAY aus dem Jahr 2006 versuchte er sich an Folk und Americana, MILLPORT soll nun eine Verneigung vor der Sweet Country Music sein. Gleich zu Beginn squaredancet er den „Back Roads Of My Mind“ mit so viel Yeee-Haaaw! entgegen, dass man erst gar nicht sicher ist, ob das alles nicht vielleicht als Persiflage zu verstehen ist. Aber nein: Greg Graffin meint es ernst.
„Old-Time music“ hätte ihn seit seiner Kindheit in Indiana geprägt. Und wirklich: Beim Titelstück und in „Sawmill“ zeigt er, dass ein recht passabler Country-Sänger in ihm steckt. Klar, zur genre-immanenten Spiritualität findet einer wie Graffin nicht mehr. „Hey man, no religion can help this time of need“, predigt er in Anlehnung an den Gospel-Klassiker „Amen“. Die meisten Songs haben auch musikalisch nicht gar so viel mit Country zu tun: „Making Time“ ist sommerlicher Mid-Tempo-Pop, „Wax Wings“ klingt wie die Coverversion eines Bad-Company-Songs. Social Distortion geben Graffins patente Backing Band. Und weil sein alter Weggefährte Brett Gurewitz die Songs mitgeschrieben hat, erinnern sie natürlich auch an Bad Religion. Ohne Umpta-Umpta-Schlagzeug und eintönig gestriegelte Powerchords. Deswegen ist MILLPORT vielleicht nicht immer Country, aber auf jeden Fall das beste Bad-Religion-Album seit 20 Jahren. Mindestens.