Hendrik Otremba
Riskantes Manöver
Trocadero/Indigo (VÖ: 31.3.)
Widersprüchlicher Avant-Pop zwischen Lässigkeit und Lärm.
Mit etwas Glück findet man in der Grabbelkiste verstörend designte Postpunkplatten aus mittelgroßen britischen Industriestädten, eingespielt von Bands mit nihilistischen Namen wie Persons Unknown, bestückt mit Musik, die sich mit der Auflösung oder der Wiederherstellung von Identitäten beschäftigt, mit Tod und Stillstand, Flucht und Lähmung. Es wäre ein guter Marketingschachzug, wenn Hendrik Otremba ein paar Exemplare seines ersten Soloalbums in diesen Boxen platzieren würde, denn dort gehört diese Platte hin: nicht unbedingt in die Grabbelkiste, aber in die Nähe dieser britischen 80s-Postpunks, ohne Frage künstlerische Seelenverwandte des in Berlin lebenden Multikünstlers.
AmazonOtremba ist: Sänger von Messer, Romanautor (zuletzt erschienen: „Benito“, eine literarisch anspruchsvolle Feier der Gegenwart), Dichter, Publizist, Maler. Sein Anspruch an Kunst ist es, diese verschiedenen Bereiche nicht zu trennen, sondern sie ineinanderfließen zu lassen. Weshalb sich Bezüge, Themen und Protagonisten wiederfinden – vor allem aber Stimmungen.
RISKANTES MANÖVER bezieht sich im Titel auf den Umgang mit Widersprüchen, genau diesen erprobt Otremba in einem Stück wie „Der Gräber“, das sich von einer morbiden Ballade zu Jazz-Lärm wandelt, ohne dabei an Schönheit zu verlieren. „New York II“ verzichtet auf die Anspannung, bleibt ein reines Liebeslied, die Streicher strahlen wie bei den Walker Brothers, die Lässigkeit erinnert an Lou Reed, am Ende bleibt ein Pfeifen, gelöst und mutmaßlich Laune. Auch das ein RISKANTES MANÖVER – einfach mal das genießen, was jetzt gerade ist: die Gegenwart.