Joan As Police Woman
The Classic
PIAS/Rough Trade (VÖ: 07.3.)
Soul, Rock, Gospel, Reggae: Die New Yorker Spätblüherin gestattet auf viele Arten Einblicke in das Auf und Ab ihres Gefühlslebens.
Man kann von ihr sicher einiges erwarten, aber nicht unbedingt einen feierlichen Einstieg. Dieses Mal war ihr offenkundig danach. „Witness“ ist wie ein Weckruf. Mit energischen Bläsersätzen, nervösem Drumming, einer nicht zur Ruhe kommenden Orgel und einer Riesenportion Soul ziehen Joan Wasser und ihre lebhaften Backing-Sängerinnen das Interesse auf sich. „I’ve got to be the witness to stop this evil mind“, fordert die Anführerin mit Nachdruck. Böse Geister sollen verscheucht werden, ein für alle Mal. „Holy City“ schließt nahtlos daran an, und der Titelsong verbreitet mit Doo-Wop-Einflüssen noch mehr Optimismus.
Dann passiert etwas, womit man bei Wasser immer rechnen muss: Es kommt zu einem Umschwung. Die Songs werden länger und zu Aufhängern für eine selbsttherapeutische Reinigung. Gerade in „Get Direct“ watet die New Yorkerin durch einen schwergängigen Morast der Erinnerungen. Das gehört auch zu ihr. Sie ist keine Musikerin, die einen Popsong nach dem anderen abliefert. Alben sind für sie ein Anlass, durch dick und dünn zu gehen. Sie fragt sich, ob der Kerl, mit dem sie gerade ein Techtelmechtel hat, der Richtige sein könnte. Sie lässt aber auch erkennen, dass man mit Rückschlägen zu rechnen hat. Die Grundstimmung ist aber von Zuversicht geprägt. Auch zum Ende hin, wenn in „Shame“ wieder der Soul ausbricht und in „Ask Me“ ein Reggae-Beat zum Einsatz kommt. Ein Klassiker ist dieses Album nicht ganz, aber ein intensiver Trip auf jeden Fall.