Jochen Distelmeyer
Gefühlte Wahrheiten
Four Music/Sony (VÖ: 1.7.)
Die Lieder des legendären Blumfeld-Sängers schlendern immer unverstellter daher.
13 Jahre ist es her seit HEAVY, dem bislang letzten Album von Jochen Distelmeyer mit eigenen Liedern. Was man über GEFÜHLTE WAHRHEITEN nun sagen kann: Diese 13 Jahre waren eine lange Zeit. Lang genug jedenfalls, dass der bald 55-Jährige zugleich eine Kehrtwende und eine kontinuierliche Weiterentwicklung hinlegen konnte. Denn HEAVY war einerseits Abkehr von den hochverschlüsselten, von literarischen Anspielungen durchsetzten Texten der Blumfeld-Ära und Hinwendung zum Rock, der auch mal primitiv sein durfte.
AmazonRock sucht man nun vergeblich, stattdessen schlendern die Songs stets im gemächlichen Balladentempo und mit freundlichen Harmonien daher. Textlich aber setzt Distelmeyer seinen Weg fort, spricht immer unverstellter, nicht nur in Liebesliedern und Sehnsuchtssongs wie „Im Fieber“, „Nur der Mond“ oder „Tanz mit mir“. Sind da noch Meta-Ebenen?
Sind da noch Meta-Ebenen?
Vielleicht, aber dann sehr gut getarnt. In „Zurück zu mir“ wird das Programm ausformuliert: „Ich sing für dich so, wie ich es seh’ / Ich weiß nur eins, ich will zurück zu mir.“ Das ist auch der Song, in dem das doppelte Versprechen des Albumtitels eingelöst wird, in dem es um mehr geht als nur Gefühle, nämlich die gefühlten Wahrheiten im Netz, in denen sich Menschen verlieren: „Nicht nur Nazis suchen Heil in der Zerstörung / Kommt mir vor, als wären sie Teil einer Verschwörung“, singt Distelmeyer.
Ansonsten deuten drei Stücke, die als Block mitten im Album stehen, an, wohin es demnächst gehen könnte: „Gone Girl“, „The Reason“ und „Roads Of Regret“ sind die ersten englischsprachigen Songs von Distelmeyer, drei Countrysongs, ganz klassisch mit Steelguitar und Prärierhythmus und Einsamer-Wolf-Klischees. In 13 Jahren, mit 68, kann sich Distelmeyer dann in Nashville zur Ruhe setzen.