John Grant
Pale Green Ghosts
Bella Union/Coop/Universal
Are Songwriters electric? Lieder zur Synthiebegleitung markieren den nächsten Soundsprung des Ex-Czars.
Man müsste Anhängern der längst verblichenen Band The Czars Stücke dieses Albums mal im Rahmen eines „Blind Date“ vorspielen. Wetten, dass auch ein paar Die-Hard-Fans den ehemaligen Czars-Sänger in diesem weithin neu vermessenen Kontext nicht mehr wiedererkennen würden? Vom gedämpften Folkrock der Czars bis hin zum opulent instrumentierten und bis in die Haarspitzen motivierten 80er-Jahre-Disco-Funk und Synthie-Pop, die Teile dieses Albums erobert haben, ist es nun mal kein Katzensprung. Wie weit er sich von seinen Ursprüngen fortbewegen mochte, dokumentierte Grant bereits auf dem mit der Band Midlake kongenial aufgezeichneten Solodebüt QUEEN OF DENMARK, das wie eine Eins im Morast der Gefühle und im MOR der Seventies stand. Hatte Grant auf DENMARK noch seiner Wut Luft gemacht („Jesus Hates Faggots“), schreitet er heute auf einem Track mit Grußadresse „Ernest Borgnine“ (angeblich schwulenfeindlicher Hollywoodstar, den’s 2012 dahinraffte) ganz gemessen den Parcours der Verletzungen und Bedeutungen ab, die das Leben so mit sich bringt, wenn man schwul und HIV-positiv ist. Synthie-Pop darf man hier mit „Lieder zur Synthiebegleitung“ übersetzen, Grant hat weniger die Rolle des Songwriters als dessen angestammtes Soundterrain verlassen, die (analoge) Elektronik ist der Freund, der den galligen Worten des Songwriters so gerne zuhört und Sinead O’Connor die Sirene im Background, die auch niemanden mehr stört. In der Ballade „GMF“ zieht plötzlich eine Synthie-Melodie am Firmament auf, die Grant mit freundlicher Genehmigung von Gary Numan (mehr „Cars“ als „Are Friends Electric?“) geborgt haben muss, dazu die bislang lakonisch-witzigste Zeile, die ein Popsong 2013 abgeworfen hat: „I am the greatest motherfucker that you ever gonna meet“. Und Grant singt das, als wolle er dem gottgleichen Scott Walker Konkurrenz machen.
Frank Sawatzki