Kae Tempest
The Line Is A Curve
Virgin/Universal (VÖ: 8.4.)
Poetic-Electro-Pop, der den Blick ganz nach innen richtet.
Kae Tempest ist auf ihren Platten wieder sichtbar. Zuletzt war Kae auf dem ersten Album EVERYBODY DOWN zu sehen, als Figur wie aus einer Shakespeare-Company. Die Bühne als Sehnsuchtsort und Bedrohung, so hat Kae das Rampenlicht damals wahrgenommen. Die beiden folgenden Alben beschäftigten sich mit Chaos, Fallen und Lektionen, das Gesicht verschwand.
AmazonAuf THE LINE IS A CURVE ist es wieder zu sehen, Wolfgang Tillmans hat das Coverfoto gemacht, für Tempest sei damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Auch musikalisch ist THE LINE IS A CURVE eine Öffnung: Nach dem Coming-out als trans/nicht-binäre Person richtet Tempest den Blick von der Gesellschaft auf die eigene Identität.
kammermusikalische Dramatik des brillanten Vorgängeralbums THE BOOK OF TRAPS AND LESSONS taucht im flehenden Finale „Grace“ auf, ansonsten wenden sich Kae Tempest und Produzent Dan Carey wieder Electronica, TripHop, HipHop und Indie-Elementen zu, worunter die emotionale Tiefe jedoch nicht leidet: Wer beim Herbstwettersong „Salt Coast“ nicht schluckt, guckt zu viele „TV shows that taste like the feeling of pizza“, wie Kae Tempest schreibt.
Eine Reihe von Gästen sorgt für stimmliche Vielfalt: Lianne La Havas veredelt „No Prizes“, Kevin Abstract vom HipHop-Kollektiv Brockhampton ergänzt den Synth-Pop von „More Pressure“. Was man bei alldem nicht vergessen darf: Eine Huldigung für Anne Clark, die Erfinderin dieser Art von Poetic-Electro-Pop.