Lana Del Rey
HONEYMOON
Vertigo/Universal VÖ: 18. September 2015
Zentnerschwere Klagelieder: So stark wie auf HONEYMOON war Lana Del Rey noch nie.
„We could cruise to the blues“, singt Lana Del Rey und schlägt auch gleich den passenden Ort vor. Der prachtvolle Wilshire Boulevard soll es sein, der sich einmal quer durch Los Angeles zieht. Und: „We both know the history of violence that surrounds you, but I’m not scared, there’s nothing to lose now that I’ve found you.“ Der Titeltrack und Opener des je nach Zählweise dritten oder vierten Del-Rey-Albums bedient also Motive, die dem Hörer geläufig sein dürften, was immens beruhigend ist: Denn die Amerikanerin hat früh, eigentlich schon mit ihrer ersten Single „Video Games“, eine künstlerische Legende geschaffen, deren Geschlossenheit beeindruckend ist: Del Rey zeigt uns ein Amerika, das es so nicht mehr gibt, ach, das es vermutlich nie gab.
Es ist ein Amerika, in dem Rollenbilder sehr konservativ angelegt sind – absolute Hingabe ist der Schlüssel –, in dem aber ohnehin alle an ihren eigenen Lügen scheitern. Das wiederum ist nicht so schlimm, weil am Ende die Erlösung wartet: „On monday they destroyed me, but by Friday I’m revived“, heißt es schließlich in „God Knows I Tried“. Es gilt: In Sachen Text waren Lana Del Rey und ihr Mit-Autor Rick Nowles noch nie so stark wie auf dieser Platte. Natürlich basieren die Texte auf dem Katalog aus Bildern, auf den Lana Del Rey stets zurückgriff: Es geht um Bad Motherfuckers und um die Palmen im Endless Summer, um Partys und Pistolen und um Genussmittel, legale wie illegale.
Im wunderbaren „Salvatore“ – hier haben wir wieder die Erlösung, „Salvatore“ ist Italienisch für Heiland – reiht sie die Begriffe „Cacciatore“, „Limousine“, „Ciao Amore“ und „Soft Ice Cream“ scheinbar ohne jeden Sinn aneinander. Aber Songs wie die Lead-Single „High By The Beach“ siedeln all diese Bilder hervorragend nah am Untergang an, Spaß in einem ganz klassischen Sinne macht die Platte selten, eigentlich nur während der putzig pointierten Bläser in „Art Deco“.
In den meisten ihrer Lieder badet die New Yorkerin auch musikalisch in Melancholie: Mal knistert’s im Hintergrund wie eine alte Vinyl-Platte, mal kriechen dunkle Synthies in die Songs wie im Soundtrack eines Films, in dem alle sterben, mal liegen die Stücke auf Orchesterarrangements wie Leichen auf Sargsamt: Stets bleibt’s dunkelgrau bis blau und selbst, wenn das Tempo einmal anzieht wie in der zweiten Hälfte von „24“, höchst dramatisch. Als letzten Track singt Del Rey schließlich eine Coverversion, nach „The Other Woman“ auf ULTRAVIOLENCE nimmt sie sich zum zweiten Mal eine Nummer vor, die durch Nina Simone bekannt wurde: Ihr „Don’t Let Me Be Misunderstood“ operiert mit großem Orchester, im Mittelpunkt steht aber ihre Stimme, die diesem schwierigen Song absolut gewachsen ist und der man, das ist wichtiger, jedes Wort abnimmt. Ein völlig schlüssiger Abschluss einer sehr guten Platte.