Lloyd Cole & Hans-Joachim Roedelius
Selected Studies Vol. 1
Bureau B/Indigo VÖ: 22.2.
Ambient: Die merkwürdige Zusammenarbeit zweier ungleicher Musiker. Aber der britische Indie-Popper und der deutsche Avantgardist finden die künstlerische Schnittmenge.
Auf den ersten Blick kommt einem die Zusammenarbeit von Lloyd Cole mit Hans-Joachim Roedelius merkwürdig, fast befremdlich vor. Hier: der in den USA lebende, englische, 51-jährige Songwriter und Rock-Pop-Sänger. Dort: der knapp 26 Jahre ältere Avantgardist und Elektronik-Pionier, der mit Harmonia und Cluster ein nicht unwesentliches Stück deutsche Musikgeschichte mitgeschrieben hat. Und doch gibt es eine gemeinsame Vergangenheit der beiden Männer. Lloyd Cole veröffentlichte Ende 2001 mit PLASTIC WOOD ein Album, das mit seinen instrumentalen Ambientsound komplett aus seiner Diskografie fällt. Und Hans-Joachim Roedelius fertigte von diesen Tracks – ungefragt übrigens – Remixe an, die zwar unveröffentlicht, aber nicht ungehört blieben und so eine Brücke zwischen den beiden bauten. Zudem ist Lloyd Cole Fan von Cluster, von ihren Alben wie SOWIESOSO und deren Arbeiten mit Brian Eno. Aber erst eine Dekade nach PLASTIC WOOD, nach einem Treffen in Wien, wo Cole auftrat, kamen die beiden zum ersten Mal zusammen. Da eine gemeinsame Zeit im Studio schlecht zu organisieren war, fiel die Entscheidung, sich Track-Entwürfe, Song-Skizzen und Melodielinien zu schicken, die der jeweils andere weiter bearbeiten sollte. Aus einer Fülle von Stücken schafften es nach einem anderthalb Jahre währenden Reifungsprozess zehn auf SELECTED STUDIES VOL.1. Erstaunlicherweise lässt sich kaum nachweisen, wer bei welcher Nummer als Hauptideengeber oder treibende Kraft wirkte. Über weite Strecken mäandert das Album mit schleppender Geschwindigkeit durch entspannte Ambient-Landschaften. Manchmal knirscht, knackt, rauscht oder zirpt es am Wegesrand. Erst beim fünften Track namens „Tangolargo“ wird es lebhafter, mischen sich asiatische Einflüsse unter, aber leider klingt das etwas kitschig. Mit dem Auftauchen von mehr Rhythmik in dem Stück „HIQS“, spätestens aber bei „Fehmarn F/O“ präsentieren sich Lloyd Cole und Hans-Joachim Roedelius von ihrer impulsiven Seite, um mit „Virginie L“ sogleich in den Ruhemodus zurückzukehren. So endet SELECTED STUDIES VOL.1. dann auch nicht mit einem Feuerwerk, sondern zieht mit „Lullerby“ dorthin weiter, wo es hergekommen ist.